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Hannes Püsche in Guide

16.08.2024 13:46

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Technische Analyse - der Weg zum Erfolg im Trading oder doch nur Kaffeesatz-Leserei?

Technische Analyse – der Weg zum Erfolg im Trading oder doch nur Kaffeesatz-Leserei?

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Der ultimative Guide, den du lesen musst, wenn du aktiv handeln und dazu Charttechnik nutzen möchtest. Wir zeigen dir, welche Methoden es gibt und wie du nach diesen handeln kannst. Außerdem klären wir die Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, Charttechnik zu nutzen.

Die technische Analyse oder auch Chartanalyse oder Charttechnik kann auf alle Güter (in unserem Fall meist Wertpapiere, aber auch Rohstoffe, Indizes oder Währungen) angewendet werden, deren Preis durch Angebot und Nachfrage bestimmt wird. Durch dessen Preisverlauf kann ein Chart gebildet werden, welcher anhand verschiedener Merkmale oder Indikatoren analysiert wird, um dadurch den Kursverlauf der Zukunft zu antizipieren.

Nutzt man technische Analyse, muss man zwingend die so genannte Markteffizienzhypothese ablehnen, darf also nicht an einen effizienten Markt glauben.

In einem effizienten Markt würden alle verfügbaren Informationen bereits im Marktpreis reflektiert werden, so dass ausschließlich neue Informationen einen Impuls für Kursbewegungen geben würden. Außerdem würde dies bedeuten, dass kein Marktteilnehmer dem anderen langfristig überlegen sein könnte, abgesehen von Glück und Insiderinformationen. Selbst die Annahme einer schwachen Effizienz muss abgelegt werden, um aus der technischen Analyse einen Mehrwert ziehen zu können, da diese besagt, dass historische Kursverläufe in den Marktpreis eingepreist sind.

Im Gegensatz zum effizienten Markt gibt es andere Annahmen, die erfüllt sein müssen, damit die technische Analyse funktioniert:

  • Handlung vieler Marktteilnehmer nach Strategien und/oder Emotionen
  • historische Chartverläufe lassen Rückschlüsse auf den zukünftigen Chartverlauf zu
  • Chartmuster wiederholen sich und Marktteilnehmer handeln danach

Ein wichtiger Punkt, den man hier besonders ansprechen sollte, ist, dass Chartmuster oder auch Indikatoren nur dann funktionieren, wenn genügend Marktteilnehmer danach handeln. Kritik, die oft an der technischen Analyse geäußert wird, ist, dass sie letztendlich eine Art ‘selbsterfüllende Prophezeiung’ darstellt und nur dadurch funktioniert, da viele danach handeln, weil sie der Meinung sind, dass ein bestimmter Indikator funktioniert. Dazu lässt sich aber sagen, dass der Chartverlauf und die Beobachtung eines Musters immer vor der Herausarbeitung eines Indikators standen. Letztendlich lassen sich Chartmuster auf das Angebot und die Nachfrage sowie die Emotionalität der Marktteilnehmer zurückführen. Ein Indikator ist dann nur etwas, das in einer Regel verallgemeinert wird und sich potenziell auch auf andere Güter/Wertpapiere anwenden lässt.

Bei allen Indikatoren gilt immer, der Preis und der Chartverlauf sind zuerst da. Der Indikator kann nur auf Grundlage dieser gebildet werden und läuft dem Preis deshalb nach. Die Informationen, die ein Indikator also verarbeitet und anschaulich aufbereiten mag, sind immer bereits im Preis erkennbar.

Es gibt unzählige Chartmuster und Indikatoren. Es ist unmöglich, dass jedes Chartmuster oder jeder Indikator zu jeder Zeit oder auf jede Aktie anwendbar ist. Es kann beispielsweise sein, dass bestimmte Chartmuster öfter zu einer bestimmten Marktphase auftreten oder dass ein Indikator wie ein gleitender Durchschnitt auf einer bestimmten Länge öfter bei einer Aktie funktioniert.

Instrumente der Chartanalyse

Nachfolgend stellen wir die wichtigsten Instrumente der Charttechnik anschaulich dar und zeigen, wie man danach handeln könnte.

Wir starten mit der Trendanalyse, gehen über zu Unterstützungen und Widerständen sowie zu den beliebten Chartmustern und schließlich gehen wir noch auf Indikatoren und Oszillatoren ein.

Trendanalyse – ‘the trend is your friend’

Die Trendanalyse hilft, die allgemeine Richtung des Marktgeschehens zu bestimmen. Sie ist entscheidend, um Handelsentscheidungen fundiert treffen zu können. Die drei Hauptarten von Trends sind der Aufwärtstrend, der Abwärtstrend und der Seitwärtstrend. In diesem Guide werden wir diese Trends genauer betrachten und erklären, wie man sie erkennt.

Ein Aufwärtstrend wird durch eine Serie von höheren Hochs und höheren Tiefs definiert. Dies bedeutet, dass der Preis jedes Mal, wenn er steigt, ein höheres Niveau erreicht als beim vorherigen Anstieg und bei Rücksetzern ein höheres Tief bildet als bei der vorherigen Korrektur. Ein Aufwärtstrend zeigt an, dass die Käufer den Markt dominieren und der Preis voraussichtlich weiter steigen wird.

Aufwärtstrend (Microsoft, Wochenchart)

Aktien wie Microsoft waren in den letzten Jahren mit wenigen Unterbrechungen in sauberen Aufwärtstrends, wie man im Wochenchart seit Anfang 2023 sehen kann. Nahezu jedes übergeordnete Hoch ist höher als das vorherige Hoch und nahezu jedes übergeordnete Tief ist höher als das vorherige Tief.

Ein Long Einstieg bietet sich am ehesten in der Korrektur an, also nachdem die Aktie ein neues höheres Tief bestätigt hat und sich der Aufwärtstrend fortsetzt. Ein Stop bietet sich im Bereich des Tiefs an.

Ein Abwärtstrend wird durch eine Serie von niedrigeren Hochs und niedrigeren Tiefs definiert. Dies bedeutet, dass der Preis jedes Mal, wenn er fällt, ein niedrigeres Niveau erreicht als beim vorherigen Rückgang und bei Erholungen (Rallyes) ein niedrigeres Hoch bildet als bei der vorherigen Erholung. Ein Abwärtstrend zeigt an, dass die Verkäufer den Markt dominieren und der Preis voraussichtlich weiter fallen wird.

Abwärtstrend (3M, Wochenchart)

Ein gutes Beispiel für einen langfristigen Abwärtstrend ist die 3M Aktie. Dargestellt im Wochenchart sieht man gut, wie die Aktie seit April 2021 laufend tiefere Tiefs und tiefere Hochs gemacht hat. Jedes neue Tief ist tiefer als das vorherige Tief und jedes neue Hoch ist tiefer als das vorherige Hoch. Aktien im langfristigen Abwärtstrend sollte man nicht auf der Long-Seite handeln, solange keine klaren Anzeichen für eine Umkehr bestehen und auch bei einem Investment in solche Aktien sollte man vorsichtig sein.

Bevorzugt werden sollten Short-Positionen, da die Wahrscheinlichkeit in einem solchen Abwärtstrend höher ist, dass der Preis weiter fällt. Der Short-Einstieg bietet sich am besten an, wenn die Aktie ein tieferes Hoch bestätigt und auf einem kleineren Zeitintervall wieder nach unten ausbricht. Ein Stop kann im Bereich des letzten Hochs gewählt werden.

Ein Seitwärtstrend, auch als Seitwärtsbewegung oder Konsolidierung bekannt, tritt auf, wenn der Preis keine klaren höheren Hochs oder niedrigeren Tiefs bildet. Der Preis bewegt sich innerhalb einer Spanne, wobei weder die Käufer noch die Verkäufer die Kontrolle übernehmen. Dieser Zustand tritt häufig nach starken Bewegungen auf, wenn der Markt eine Pause einlegt, um den nächsten großen Schritt vorzubereiten.

Seitwärtstrend (3M, Tageschart)

Für eine Aktie im Seitwärtstrend bietet sich ebenfalls die 3M Aktie. Jetzt im Tageschart und ab Juli 2023. Der Seitwärtstrend folgt dabei auf den langfristigen Abwärtstrend. Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass sich weder ein klarer Auf- noch Abwärtstrend herausbildet, sondern die Aktie in der Range hin- und her bewegt. 

Handeln könnte man solche Aktien über Range-Trading, indem bei Unterstützungsniveaus kauft und bei Widerstandsniveaus verkauft. Diese Handelsstrategie ist meist wenig lukrativ, da ein Seitwärtstrend auch gerne mal ausbricht und wieder in die Range zurückkehrt oder aber früher oder später in einen Ab- oder Aufwärtstrend ausbricht. Deshalb ist das Chancen-Risiko-Verhältnis von Range-Trading nur selten empfehlenswert.

Wichtig ist es zu verstehen, dass eine Aktie auf einem höheren Zeitintervall einen anderen Trend haben kann als auf einem niedrigeren Zeitintervall.

Betrachten wir die 3M Aktie im Monatschart, befindet sich diese seit 2018 in einem Abwärtstrend. Gehen wir jedoch runter auf den Tageschart, dann findet man den angesprochenen Seitwärtstrend an. Trends auf kleinerer Zeitebene können den übergeordneten Trend brechen oder bestätigen. Die Bestätigung eines langfristigen Trends auf kleinerer Zeitebene nimmt man als valides und aussagekräftiges Signal an.

Je mehr Faktoren und Indikatoren für einen Trend sprechen, desto valider und wahrscheinlicher ist die Fortsetzung dieses. Man spricht hier auch von ‘Confluence’.

Sonderform: Elliott-Wellen Analyse

Die Elliott-Wellen-Theorie ist eine Methode der technischen Analyse, die davon ausgeht, dass die Finanzmärkte wiederkehrenden Mustern folgen. Diese Muster, bekannt als Wellen, spiegeln die kollektive Psychologie der Marktteilnehmer wider und bestehen aus acht Hauptwellen: fünf Impulswellen in Richtung des Trends und drei Korrekturwellen gegen den Trend.

Grundprinzip der Elliott-Wellen-Theorie ist die Wellenstruktur:

  • Impulswellen (1 bis 5): Diese Wellen bewegen sich in Richtung des Haupttrends und bestehen aus fünf Teilwellen. Drei dieser Teilwellen (1, 3, 5) bewegen sich in Richtung des Haupttrends, während zwei (2, 4) Korrekturen darstellen.
  • Korrekturwellen (a, b, c): Diese Wellen bewegen sich gegen den Haupttrend und bestehen aus drei Teilwellen. Wellen a und c bewegen sich gegen den Trend, während Welle b eine Zwischenerholung darstellt.

Elliott erkannte, dass diese Wellenstrukturen in verschiedenen Größenordnungen auftreten, von wenigen Stunden bis zu mehreren Jahrhunderten. Er kategorisierte neun Ränge von Wellen, die jeweils in kleinere Wellen unterteilt sind. Jede Welle besteht aus kleineren Wellen und ist selbst Teil einer größeren Welle. Diese fraktale Natur führt dazu, dass die Wellenstruktur unabhängig von der betrachteten Zeitebene ähnlich bleibt. Die Wellenstrukturen folgen häufig der Fibonacci-Zahlenfolge (1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55, 89, etc.). Das bedeutet, dass die Länge und Dauer der Wellen oft in einem Verhältnis stehen, das der Fibonacci-Zahlenreihe entspricht. So werden Tools wie das Fibonacci-Retracement oder die Fibonacci-Extension häufig zur Bestimmung der Kursziele der jeweiligen Wellenbewegung genutzt. Darauf gehen wir später im Text noch ein. 

Wenn man nach den Elliott-Wellen handeln möchte, sollte man zunächst den Haupttrend im Markt bestimmen und danach die aktuellen Impuls- und Korrekturwellen identifizieren. Der Einstieg sollte in Richtung de Haupttrends und nach der Korrekturwelle (z.B. nach Welle 2 oder 4) erfolgen. Stopp-Loss können unterhalb der vorherigen Korrekturwelle platziert werden und Take-Profit basierend auf der erwarteten Länge der nächsten Impulswelle.

Unterstützungen- und Widerstände

Unterstützungs- und Widerstandsniveaus sind zentrale Konzepte der technischen Analyse, die Investoren helfen, potenzielle Wendepunkte im Kursverlauf eines Wertpapiers zu identifizieren. Diese Niveaus markieren Bereiche, in denen der Kurs einer Aktie, eines Index oder eines anderen Finanzinstruments tendenziell stoppt und sich umkehrt. Das Verständnis und die Anwendung dieser Konzepte können sowohl Anfängern als auch Fortgeschrittenen helfen, fundierte Handelsentscheidungen zu treffen.

Eine Unterstützung ist ein Preisniveau, bei dem die Nachfrage stark genug ist, um den Preis zu stützen und einen weiteren Rückgang zu verhindern. Wenn der Kurs eines Wertpapiers dieses Niveau erreicht, neigen Käufer dazu, in den Markt einzutreten und den Preis zu stabilisieren oder nach oben zu treiben.

Beispiele für eine mögliche Unterstützung:

  • Haupttiefs: Frühere Tiefpunkte in einem Chart sind häufig Unterstützungsniveaus.
  • Runde Zahlen: Psychologisch wichtige Ebenen wie 100, 50 oder 200 können als Unterstützung fungieren.
  • Gleitende Durchschnitte: Längerfristige gleitende Durchschnitte wie der 200-Tage-Durchschnitt bieten oft Unterstützung.

Unterstützung durch Haupttief (CVS Health, 2 Wochen-Chart)

Ein gutes Beispiel für die Unterstützung durch einen früheren Tiefpunkt ist die CVS Health Aktie, hier im 2 Wochenchart. Die Tiefpunkte aus 2019 und 2020 sind auch Jahre später noch von Relevanz. Ein langer Abwärtstrend mit Beginn Anfang 2022 kann im Februar 2024 durch diese alten Tiefpunkte zunächst gestoppt werden. Ein neuer Aufwärtstrend könnte sich hier etablieren, dieser wurde aber noch nicht auf kleinerem Zeitintervall bestätigt. Ein Einstieg wäre dann denkbar, wenn auf einem kleineren Intervall wie auf dem Tageschart ein höheres Tief und ein höheres Hoch gebildet wird, wodurch sich ein neuer Aufwärtstrend bestätigen würde. Hier heißt es zumindest für Swing-Trader meist eher Geduld zu bewahren und diesen neuen Aufwärtstrend abzuwarten, anstatt zu schnell in die Aktie zu gehen, obwohl diese sich nach wie vor in einem aktiven Abwärtstrend befindet.

Unterstützung am gleitenden Durchschnitt – SMA200 (Deutsche Börse, Wochenchart)

Eine Aktie, bei der in der Vergangenheit der SMA200 auf Wochenbasis bereits mehrfach als Unterstützung gewirkt hat, ist die Deutsche Börse. Nicht nur in 2022 und 2023, sondern bereits in 2014 und 2016 hat dieser langfristige gleitende Durchschnitt dem Kurs geholfen, einen kurzfristigen Abwärtstrend zu stoppen und den langfristigen Aufwärtstrend fortzusetzen. Auf Wochenbasis hat der Kurs seit 2014 dabei nur einmal während des Beginns der Corona-Pandemie Anfang 2020 unter dem SMA200 geschlossen.

Gleitende Durchschnitte, die sich bereits in der Vergangenheit als Unterstützung bewährt haben, erlangen dadurch eine höhere Bedeutung und eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass diese auch in Zukunft wieder als Unterstützung wirken.

Ein Einstieg auf Basis eines gleitenden Durchschnitts als Unterstützung sollte erst gesucht werden, wenn diese Unterstützung bestätigt wurde, in dem auf kleinerer Zeiteinheit ein neuer Aufwärtstrend etabliert wurde.

Ein Widerstand ist ein Preisniveau, bei dem das Verkaufsinteresse stark genug ist, um den Preis zu deckeln und einen weiteren Anstieg zu verhindern. Wenn der Kurs eines Wertpapiers dieses Niveau erreicht, neigen Verkäufer dazu, in den Markt einzutreten und den Preis zu drücken oder zu stabilisieren.

Beispiele für einen möglichen Widerstand:

  • Haupthochs: Frühere Hochpunkte in einem Chart sind häufig Widerstandsniveaus.
  • Runde Zahlen: Psychologisch wichtige Ebenen wie 100, 150 oder 200 können als Widerstand fungieren.
  • Gleitende Durchschnitte: Längerfristige gleitende Durchschnitte wie der 200-Tage-Durchschnitt bieten oft Widerstand.

Widerstand am gleitenden Durchschnitt – SMA50 (Carl Zeiss Meditec, Monatschart)

Ein schönes Beispiel für einen Widerstand an sowohl einem psychologisch wichtigen Level als auch an einem einfachen gleitenden Durchschnitt zeigt die Carl Zeiss Meditec Aktie im Monatschart. Diese ist im September 2021 an der 200 Euro Marke abgeprallt, nachdem diese nur kurzzeitig intraday mal übertroffen wurde. Solche psychologischen Marken können zu Widerständen werden, weil an diesen Marken oft überproportional viele Käufer Gewinne mitnehmen, da genau dort Take Profits (Limit Verkäufe) platziert sind. Kommen danach nicht wieder genügend Käufer in die Aktie, fällt der Kurs entsprechend.

Gleichzeitig sieht man einige Zeit später, im März 2024, dass der Kurs im Bereich der 50 Monatslinie dreht. Auch solche dynamischen Kursmarken werden gerne als Limit beim Take Profit genutzt, aber genauso auch als Short Einstiegsmarke, so dass das Angebot schnell die Nachfrage übersteigen kann und der Kurs dreht.

Ein Short Einstieg wäre dann möglich, wenn der Kurs am Widerstand abgeprallt ist und beispielsweise auf einem kleineren Zeitlevel (hier zB Wochen- oder Tageschart) ein geringeres Hoch bestätigt, wodurch ein Abwärtstrend wahrscheinlicher wird. Die Antizipation eines Widerstands ohne weitere Bestätigung ist sehr risikoreich und weniger empfehlenswert. Gerade bei den gleitenden Durchschnitten gibt es selbst bei den öfter verwendeten Varianten so viele Möglichkeiten, so dass man meistens eine Kombination findet, bei der man eine Unterstützung oder einen Widerstand vermutet. Einzig darauf sollte man sich deshalb aber nicht verlassen.

Dynamik von Unterstützung und Widerstand

Ein wichtiges Konzept in der technischen Analyse ist, dass ein gebrochenes Unterstützungsniveau oft zu einem Widerstandsniveau wird und umgekehrt. Wenn der Preis beispielsweise ein Unterstützungsniveau durchbricht und weiter fällt, wird dieses Niveau beim erneuten Anstieg oft als Widerstand fungieren. Umgekehrt kann ein gebrochenes Widerstandsniveau bei einem Rücksetzer als Unterstützung dienen.

Widerstand wird zu Unterstützung (Sixt, Wochenchart)

Ein solches Phänomen sieht man beispielsweise gut an der Sixt Stammaktie im Wochenchart. Die Kurszone um 80 Euro stellte in 2020 noch einen Widerstand dar, während die gleiche Zone ab Ende 2022 mehrmals als Unterstützung diente, von der der Preis nach oben abgeprallt ist.

Solch eine Unterstützung hält natürlich nicht ewig, umso öfter diese angelaufen wird, desto wahrscheinlicher wird es, dass diese auch durchbrochen wird, was im Frühjahr 2024 der Fall war.

Die wichtigsten Chartmuster verständlich erklärt

Chartmuster analysieren historische Preismuster und versuchen, potenzielle Kursbewegungen vorherzusagen. Die Muster entstehen dabei aus dem Preis eines Wertpapiers und können eine Indikation sein, ob der Markt weiterhin in die gleiche Richtung geht oder eine Umkehr bevorsteht.

Für die Analyse von Chartmustern werden meist Candlestick-Charts genutzt. Diese enthalten deutlich mehr Informationen über den Kursverlauf als beispielsweise Liniencharts, in denen Tiefs und Hochs erkennbar sind und nicht geglättet werden.

Chartmuster können auf allen Zeiteinheiten, also vom Sekunden-Chart bis zum Monats- oder sogar Jahres-Chart entstehen. Die Zeiteinheit sollte man entsprechend der Art des Tradings auswählen. Das heißt kurzfristige Zeiteinheiten von 5 Minuten bis 1 Stunde für Scalping und Day Trading. Längere Zeiteinheiten von 4 Stunden bis 1 Woche für Swing Trading oder 1 Woche bis 1 Monat für Positions-Trading.

Trendumkehrmuster

Diese Muster signalisieren das Ende eines bestehenden Trends und den Beginn eines neuen.

Das (inverse) Schulter-Kopf-Schulter / SKS-Muster besteht aus drei Hochs, wobei der mittlere (Kopf) höher ist als die beiden äußeren (Schultern). Die Nackenlinie verbindet die Tiefpunkte der beiden Schultern. Ein Kopf-Schulter-Top signalisiert eine Umkehr von einem Aufwärtstrend zu einem Abwärtstrend. 

Schulter-Kopf-Schulter Formation (Eckert & Ziegler, Tageschart)

Eine SKS-Formation sieht man bei der Eckert & Ziegler Aktie im Tageschart. Diese hat von Januar bis März 2024 eine relativ saubere SKS-Formation gebildet, wenn auch mit 2 Schultern im Chart. Chartmuster sind in der Realität selten sehr sauber anzutreffen und stellen nur eine Verallgemeinerung dar. Wichtiger als das Chartmuster an sich ist es, sich zu vergegenwärtigen, was praktisch in der Aktie passiert. Die Schulter bildet ein Hoch und der Kopf bildet ein höheres Hoch, was bedeutet, dass mehr Nachfrage als Angebot in der Aktie bestand, was zu einem höheren Hoch geführt hat. Die Ausprägung der Schulter zeigt, dass die Käufer nicht mehr genügend Nachfrage aufbringen, um die Aktie auf ein weiteres Hoch zu bringen und die Verkäufer durch das Angebot der Aktien überhand gewinnen. Damit prägt sich ein niedrigeres Hoch aus, nach dem ein Short-Einstieg entweder bei Bruch der Nackenlinie oder, wie in dem Fall die bessere Wahl, nach dem Retest des Schulter-Tiefs möglich ist.

Handelt man nach dieser Chartformation, ist ein Short-Einstieg erst bei Bruch der Nackenlinie empfehlenswert, da hier der neue Abwärtstrend final bestätigt wird. Denkbar wäre auch das Abwarten auf einen Retest dieser und ein darauffolgender Einstieg.

Außerdem gibt es auch ein umgekehrtes Schulter-Kopf-Schulter-Muster, welches auf eine Umkehr von einem Abwärtstrend zu einem Aufwärtstrend hindeutet.

Inverse Schulter-Kopf-Schulter Formation (Amazon, Tageschart)

Die Amazon Aktie bildete eine solche inverse SKS Formation zwischen Ende 2022 und Frühjahr 2023. Auch hier sind die beiden umgekehrten Schultern als Zwischentiefs wieder eher unsauber, aber doch als solche erkennbar. Der umgekehrte Kopf bildet das finale Tief. Der rechte, inverse Kopf bricht als höheres Hoch den Abwärtstrend und bestätigt beim Bruch der Nackenlinie den neuen Aufwärtstrend. 

Handelt man nach dieser Chartformation, ist ein Long-Einstieg wie bei der SKS Formation deshalb erst bei Bruch der Nackenlinie empfehlenswert.

Doppeltop und Doppelboden

Ein Doppeltop besteht aus zwei aufeinanderfolgenden Hochs mit einem Tief dazwischen. Ein Doppelboden besteht aus zwei Tiefs mit einem Hoch dazwischen. Ein Doppeltop signalisiert das Ende eines Aufwärtstrends und eine bevorstehende Abwärtsbewegung. 

Doppeltop (Fresenius, Tageschart)

Ein Doppeltop haben wir in der Fresenius Aktie zwischen Dezember 2023 und Januar 2024 gesehen. Das erste Top im Dezember wurde dabei leicht abverkauft und es bildet sich ein weiteres Top aus, wobei der Kurs es nicht über das erste Top schafft. Auch hier ist es wichtig, sich zu verbildlichen, was fundamental passiert. Käufer sorgen für Nachfrage, die höher als das Angebot in der Aktie ist, wodurch sich das erste Top bildet. Am Top lässt die Käuferkraft nach und es kommt zu einer leichten Korrektur auf das Zwischentief. Von da aus kommen wieder vermehrt Käufer ins Spiel, die die Aktie auf das zweite Top bringen. An diesem Doppeltop gibt es aber nicht mehr genügend Käufer bzw. bereits so viele Verkäufer, so dass der Preis der Aktie nicht weiter steigt und dreht. Dies kann dadurch verstärkt werden, dass Leerverkäufer die Aktie verkaufen. Ein Einstieg short ist entweder direkt am zweiten Top, am Bruch des Zwischentiefs oder nach einem potenziellen Retest möglich. Direkt am Top ist das Risiko hoch, dass der Kurs noch weiter läuft, weshalb der Einstieg nach dem Bruch des Zwischentiefs eher empfehlenswert ist, der das Chartbild des Doppeltops validiert.

Doppelboden (Siemens, Wochenchart)

Ein Doppelboden deutet auf das Ende eines Abwärtstrends und eine bevorstehende Aufwärtsbewegung hin. Hier sehen wir die Siemens Aktie, dieses Mal im Wochenchart, die zwischen Juni und Oktober 2022 einen sauberen Doppelboden ausgebildet hat. Die Erklärungen vom Doppeltop gelten umgekehrt gleichermaßen. Ein Einstieg long ist hier entweder direkt am zweiten Boden, nach dem Bruch des Zwischenhochs oder nach einem potenziellen Retest möglich. Auch hier ist der Einstieg am zweiten Boden eher risikoreich, da der Kurs auch weiter fallen kann. Ein besseres Chartbild ergibt sich beim Bruch des Zwischenhochs, welches den Doppelboden bestätigt.

Trendfortsetzungsmuster

Diese Muster signalisieren, dass der bestehende Trend nach einer kurzen Pause fortgesetzt wird.

Aufsteigende und absteigende Dreiecke sind Formationen, die durch sich annähernde Trendlinien entstehen und sich in symmetrische, aufsteigende und absteigende Dreiecke unterteilen lassen. Symmetrische Dreiecke können sowohl auf- als auch abwärts ausbrechen, deuten also auf eine Unentschlossenheit des Marktes hin und lassen sich nur schwer interpretieren. Aufsteigende Dreiecke hingegen deuten auf eine Fortsetzung des Anstiegs hin, während absteigende Dreiecke eine höhere Wahrscheinlichkeit besitzen, dass der Kurs aus dem Dreieck in die Short-Richtung ausbricht.

Symmetrisches Dreieck (Adidas, Tageschart)

Beim symmetrischen Dreieck typisch ist sowohl die Widerstandslinie an den niedrigeren Hochs als auch die Unterstützungslinie an den höheren Tiefs. Wie man hier bei der Adidas Aktie sieht, setzt sich der übergeordnete Trend fort und der Kurs bricht schließlich aus dem symmetrischen Dreieck aus. Dies muss jedoch nicht immer so sein. Das symmetrische Dreieck ist prinzipiell eine neutrale Chartformation, die eine Fortsetzung oder aber auch eine Umkehr nach sich ziehen kann.

Diese Chartformation würde man typischerweise so handeln, dass ein Einstieg direkt beim Ausbruch über bzw. unter die jeweilige Widerstandslinie bzw. Unterstützungslinie erfolgt oder nach einem potenziellen Retest der alten Widerstandslinie als neue Unterstützungslinie bzw. umgekehrt.

Aufsteigendes Dreieck (Deutsche Telekom, Wochenchart)

Beim aufsteigenden Dreieick typisch ist die Widerstandslinie an den Hochs und die Trendlinie an den höheren Tiefs. Wie man bei der Deutschen Telekom Aktie sieht, setzt sich der Trend fort und der Kurs bricht schließlich aus dem aufsteigenden Dreick aus. Diese Chartformation würde man typischerweise so handeln, dass ein Einstieg per Stop-Buy Order direkt beim Ausbruch über die horizontale Widerstandslinie erfolgt oder nach einem potenziellen Retest der alten Widerstandslinie als neue Unterstützungslinie.

Absteigendes Dreieck (BASF, Monatschart)

Beim absteigenden Dreieck typisch ist die Unterstützungslinie an den Tiefs und die Trendlinie an den tieferen Hochs. Wie man bei der BASF Aktie sieht, ist der langfristige Trend abwärts gerichtet. Das absteigende Dreieck wäre dann bestätigt, wenn der Kurs schließlich nach unten ausbrechen würde. Diese Chartformation würde man typischerweise so handeln, dass ein Short-Einstieg per Stop-Sell Order direkt beim Ausbruch unter die horizontale Unterstützungslinie erfolgt oder nach einem potenziellen Retest der alten Unterstützungslinie als neue Widerstandslinie.

Bullenflagge und Bärenflagge sind Rechtecke, die sich nach einem starken Aufwärts- oder Abwärtstrend bilden. Diese Muster deuten auf eine kurze Konsolidierungsphase hin, nach der der ursprüngliche Trend fortgesetzt wird. Der Flaggenmast stellt die impulsive Aufwärtsbewegung dar und die Flagge die Konsolidierung. Bricht der Kurs aus der Flagge aus, ist die Bullenflagge vollendet und die Aufwärtsbewegung setzt sich fort. Das Rechteck der Flagge kann sowohl parallel zur X-Achse als auch gedreht auftreten und kann auch als Trendkanal gezeichnet werden.

Bullenflagge (McDonald’s, Wochenchart)

Ein schönes Beispiel für eine Bullenflagge zeigt die McDonald’s Aktie. Von September 2022 bis Anfang 2023 befand sich diese in einem impulsiven Aufwärtstrend, die den Flaggenmast bildet, worauf eine Konsolidierungsphase folgt, die eine Flagge darstellt.

Ende März 2023 ist der Kurs auf dem Trendkanal bzw. dem Rechteck der Flagge ausgebrochen und der Aufwärtstrend setzt sich fort. Eine Bullenflagge handelt man auf der Long-Seite am besten bei bzw. nach einem solchen Ausbruch. Entweder handelt man den Ausbruch direkt, z.B. per Stop-Buy Order, in dem man sich ‘einstoppen’ lässt oder man wartet auf kleinerer Zeitebene auf einen Retest.

RSI & Co. – Indikatoren und Oszillatoren

Indikatoren und Oszillatoren sind Werkzeuge der technischen Analyse, die helfen können, Markttrends, Kauf- und Verkaufssignale sowie die Marktstimmung zu erkennen. Diese Werkzeuge sind besonders nützlich, um Preisbewegungen vorherzusagen und fundierte Handelsentscheidungen zu treffen. In diesem Leitfaden werden wir einige der wichtigsten Indikatoren und Oszillatoren erklären, die sowohl für Anfänger als auch für Fortgeschrittene relevant sind.

Gleitende Durchschnitte glätten die Kursbewegungen und helfen, den allgemeinen Trend zu erkennen. Es gibt verschiedene Arten von gleitenden Durchschnitten, darunter der einfache gleitende Durchschnitt (SMA) und der exponentielle gleitende Durchschnitt (EMA).

Einfacher gleitender Durchschnitt (SMA): Der Durchschnitt der Schlusskurse über einen bestimmten Zeitraum. Beispielsweise ist der 50-Tage-SMA der Durchschnitt der Schlusskurse der letzten 50 Tage.

Exponentieller gleitender Durchschnitt (EMA): Legt mehr Gewicht auf die jüngsten Kurse und reagiert daher schneller auf Preisänderungen.

Die Anwendungsfelder von gleitenden Durchschnitten sind vielfältig. Sie können eigenständig als Kriterium genutzt werden, ob eine Aktie für einen Trade in Frage kommt, z. B. Einstieg long nur wenn die Aktie über der 200-Tage-Linie handelt. Sie können als Unterstützungen und Widerstände agieren, oder als Ein- bzw. Ausstiegssignal, z. B. Ausstieg aus einem Trade, wenn die 20-Tages-Linie gerissen wird. Oder es können Strategien durch eine Kombination an gleitenden Durchschnitten gebildet werden, z. B. Einstieg long, wenn der SMA 20 den SMA 100 kreuzt.

SMA 20-100-200 (Allianz, Tageschart)

Bollinger-Bänder bestehen aus einem oberen und einem unteren Band, die eine bestimmte Anzahl von Standardabweichungen über und unter einem gleitenden Durchschnitt liegen. Sie helfen, die Volatilität des Marktes zu messen.

  • Obere und untere Bänder: Diese Bänder dehnen sich in volatilen Märkten aus und ziehen sich in ruhigen Märkten zusammen.
  • Mittleres Band: Der einfache gleitende Durchschnitt (SMA).

Bollinger-Bänder helfen, die Volatilität des Marktes zu messen. Wenn der Kurs das obere Band berührt, könnte dies auf eine überkaufte Situation hinweisen, während ein Berühren des unteren Bandes auf eine überverkaufte Situation hinweisen könnte. 

Bollinger-Bänder (Allianz, Tageschart)

Der MACD (Moving Average Convergence Divergence) ist ein Trendfolge- und Momentum-Indikator, der den Unterschied zwischen zwei exponentiellen gleitenden Durchschnitten (EMA) berechnet.

Ein MACD enthält immer zwei Linien, einmal die MACD-Linie und die Signallinie. Typischerweise nutzt man die MACD-Linie als den Unterschied zwischen dem 12-Tage-EMA und dem 26-Tage-EMA und die Signallinie als den 9-Tage-EMA der MACD-Linie. Meist wird auch ein so genanntes MACD-Histogramm hinzugefügt, welches die Differenz zwischen MACD-Linie und Signallinie darstellt.

Der Relative Strength Index (RSI) misst die Geschwindigkeit und Änderung der Kursbewegungen und hilft, überkaufte oder überverkaufte Bedingungen zu identifizieren.

Berechnung: RSI = 100 – (100 / (1 + RS)), wobei RS der Durchschnitt der positiven Kursänderungen geteilt durch den Durchschnitt der negativen Kursänderungen über einen bestimmten Zeitraum ist (normalerweise 14 Tage). Ein RSI über 70 deutet auf Überkauftheit hin, während ein RSI unter 30 auf Überverkauftheit hinweist.

MACD & RSI (Allianz, Tageschart)

Durchbricht die (hier blaue) Signallinie die (hier gelbe) MACD-Linie nach oben, ist dies ein bullisches Zeichen und bestätigt einen Aufwärtstrend. Durchbricht die Signallinie die MACD-Linie nach unten, ist dies ein bärisches Zeichen und bestätigt einen Abwärtstrend.

Oszillatoren wie der RSI und der stochastische Oszillator geben Kauf- und Verkaufssignale, basierend auf überkauften und überverkauften Bedingungen. Bei einem RSI über 70 würde man eine überkaufte Situation annehmen und einen Verkauf erwägen, während ein RSI unter 30 eine überverkaufte Situation darstellen und man einen Kauf erwägen würde. Der RSI ist dabei allerdings kein Timing-Instrument, da sowohl überkaufte als auch überverkaufte Situationen lange anhalten können und nicht grundsätzlich eine Trendumkehr einläuten.

Das Traden mit Fibonacci-Retracements ist eine beliebte Methode zur Identifizierung potenzieller Unterstützungs- und Widerstandsniveaus.

Im Aufwärtstrend wird das Fibonacci-Retracement vom Tiefpunkt zum Hochpunkt gezogen.

Im Abwärtstrend wird das Fibonacci-Retracement vom Hochpunkt zum Tiefpunkt gezogen.

Typische Fibonacci-Retracement-Niveaus sind:

  • 23.6%
  • 38.2%
  • 50%
  • 61.8%
  • 78.6%

Fibonacci Retracements (Microsoft, Monatschart)

Im Monatschart von Microsoft legen wir die Fibonacci Retracements vom Tiefpunkt im Frühjahr 2020 bis zum Hochpunkt Ende 2021 an und erhalten somit einzelne Fibonacci-Levels. Diese können potenziell Unterstützung bieten, an denen der kurzfristige Abwärtstrend gestoppt wird und sich der Aufwärtstrend fortsetzt. Microsoft hat auf das 61.8% Fibonacci-Level reagiert und von dort aus den langfristigen Aufwärtstrend fortgesetzt.

Eine Handelsstrategie basierend auf den Fibonacci-Retracements könnte so aussehen, dass zunächst auf die Berührung eines signifikanten Levels (meist 50%, 61.8% oder 78.6%) und eine entsprechende Kursreaktion, bestenfalls unter stärkerem Volumen, gewartet wird. Ergibt sich auf kleinerer Zeitebene wieder ein Aufwärtstrend, erfolgt der Einstieg bei einem höheren Hoch. 

Exkurs: Trader-Vokabular

Was steckt eigentlich hinter der Phrase “die Aktie sieht charttechnisch angeschlagen aus”?

Oft hört man Trader sagen, dass eine Aktie charttechnisch sehr angeschlagen sei und sie deshalb eher keinen zeitnahen Einstieg in diese wagen würden. Doch was heißt das überhaupt?

Damit meint man, dass eine Aktie meist eine Preiszone, die als sehr wichtig und deshalb als potentielle Unterstützung galt, unterschritten hat und deshalb eine Fortsetzung des Abwärtstrends sehr wahrscheinlich ist bzw. es eher unwahrscheinlich ist, dass die Aktie bald dreht. Diese Zonen können verschiedene potenzielle Unterstützungen sein, wie z. B. die 200-Tageslinie oder oft ist es ein Verlaufstief, das unterschritten wurde und weshalb in nächster Nähe keine weiteren Unterstützungen Abhilfe schaffen werden.

Aktien, die charttechnisch angeschlagen sind, müssen nicht zwangsweise weiter fallen. Aber Trading ist ein Spiel der Wahrscheinlichkeiten. Wir wollen Aktien auf der Long-Seite handeln, wenn die Wahrscheinlichkeit sehr groß ist, dass diese steigt und genau das ist bei charttechnisch angeschlagenen Aktien nicht der Fall. Hingegen kommen solche Aktien für einen potenziellen Short-Einstieg in Frage.

Und was meint man mit die Aktie charttechnisch sehr gut aus”?

Genau gegenteiliges dazu kann eine Aktie auch charttechnisch sehr gut aussehen. Dies ist dann der Fall, wenn diese beispielsweise einen wichtigen und starken Widerstand überwunden hat und deshalb viel Potenzial hat, weiter zu steigen. Außerdem wird der Anstieg oft mit starkem Volumen begleitet, welches den Anstieg validiert.

Wie umgekehrt heißt es auch bei Aktien, die charttechnisch sehr gut aussehen, nicht, dass diese zwingend weiter steigen müssen, dennoch ist die Wahrscheinlichkeit dafür bei einem guten Chartbild hoch. Anleger und Investoren machen hier oft den Fehler, dass sie Verluste zu früh limitieren und damit kappen, obwohl der Chart kein Ausstiegssignal gibt und die Aktie Potenzial hat, noch deutlich weiter zu steigen. Bei Aktien mit einem guten Chartbild kann deshalb ein Long-Einstieg gesucht werden. 

Fazit – Was bringt die technische Analyse nun wirklich?

Die Vorteile von technischer Analyse

Nach der Vorstellung verschiedener charttechnischer Methoden stellt sich noch die Frage, welcher Nutzen sich überhaupt durch diese ergibt. Dazu muss man nochmal wiederholen, dass Charttechnik sich erst aus echten Beobachtungen und Feststellungen entwickelt hat. Methoden wie die Fibonacci Retracements oder die Elliott-Wellen hat sich niemand ausgedacht, sondern sind Phänomenen, die aufgetreten sind, um sie erst danach als Regel zu formulieren. Die Frage, ob diese funktionieren, stellt sich deshalb gar nicht – was natürlich nicht bedeutet, dass immer alles funktioniert.

Regeln der Charttechnik können, wenn sie mit Bedacht eingesetzt werden, das Trading simplifizieren und verbessern. Außerdem können einfach eigene Handelsstrategien entwickelt werden, in die eigene Beobachtungen einfließen.

Die Gefahren von technischer Analyse

Die übermäßige Anwendung von technischer Analyse, gerade die Anwendung sehr vieler verschiedener Indikatoren, kann dazu führen, dass man Trading verkompliziert und zu viel ‘noise’ kreiert, der vom Wesentlichen ablenkt. Die Vielzahl an möglichen Indikatoren ermöglicht es, für jegliche Marktsicht, die man haben mag, gleichzeitig einen unterstützenden und einen widerlegenden Indikator zu finden. Die Gefahr besteht auch, dass man bereits ‘biased’ auf eine Aktie schaut und nur nach irgendeinem Indikator sucht, der die eigene Meinung bestätigt.

Außerdem gibt es so viele Methoden der Charttechnik und verschiedene Indikatoren, dass nie alle davon aussagekräftige Hilfen fürs Trading sein können. Die Gefahr besteht, Indikatoren aus verschiedenen Aktien und anderen Anlageklassen, aber auch verschiedene Zeitebenen gleichermaßen anwenden zu wollen. Solche Strategien werden von äußerst geringem Erfolg gekrönt sein.

Fazit

Wichtiger als möglichst viele Indikatoren zu nutzen, ist es, sich auf das Wesentliche im Trading zu beschränken. Das Wesentliche ist der Chart an sich. Befindet sich die Aktie in einem Aufwärts-, Abwärts- oder Seitwärtstrend? Befindet sich die Aktie innerhalb ihres übergeordneten Trends in einer Korrektur? Gibt es Zeichen für die Fortsetzung oder den Bruch eines Trends? Bestätigt das Volumen die Richtung?

Wir treffen deshalb die folgende, vorsichtige Verallgemeinerung betreffend der Wichtigkeit der Chartanalyse-Methoden:

Trendanalyse > Unterstützungen/Widerstände > Chartmuster > weitere Indikatoren/Oszillatoren

Trading ist immer eine Frage von Wahrscheinlichkeit sowie Chance und Risiko. Richtig eingesetzt kann Charttechnik helfen, beides zu optimieren. Die Wahrscheinlichkeit für einen erfolgreichen Trade kann erhöht werden, indem nur mit dem übergeordneten Trend und nicht gegen diesen gehandelt wird, indem potenzielle Unterstützungen und Widerstände beachtet werden und nicht kurz vor Widerständen gekauft oder kurz vor Unterstützungen verkauft wird. Deuten sich klare Chartmuster an oder geben andere Indikatoren ein klares Bild ab, können auch diese einbezogen werden.

Charttechnik an sich kann nie der heilige Gral im Trading sein. Stellt man durch Charttechnik klare Regeln auf, die z. B. den Ein- und Ausstieg definieren, dann kann Charttechnik durchaus dabei helfen, sein Trading zu simplifizieren und zu strukturieren. Hat man klare Regeln, kann man diese ‘backtesten’ und live testen und sieht, ob diese Strategie wiederholbar erfolgreich ist oder vorher nur Glück war. 

Die Charttechnik sollte als dynamisches Feld verstanden werden, das sich immer weiterentwickelt. Man wird nie so weit verallgemeinern können, dass ein Indikator oder eine Strategie auf alle Aktien oder andere Basiswerte und auf allen Zeitebenen funktioniert. Das sollte aber nicht dazu führen, diese vollends zu verteufeln.

Stattdessen heißt es eigene Erfahrungen zu sammeln und eine eigene Strategie zu entwickeln. Dann kann Charttechnik hilfreich sein und zum Erfolg im Trading beitragen.

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