Wie schlecht steht es wirklich um die deutsche Autoindustrie?
Die deutsche Autoindustrie steckt in einer Phase großer Herausforderungen. Absatzprobleme, vor allem in China, und schwächelnde Verkaufszahlen von Elektroautos setzen die großen Hersteller wie Volkswagen, BMW und Mercedes-Benz unter Druck. Obwohl derzeit die IAA Transportation im Mittelpunkt steht, richtet sich der Blick vieler Experten auf die PKW-Automobilbranche. Die Erwartungen an den Elektroauto-Boom wurden bisher nicht voll erfüllt, während die Konkurrenz aus China immer stärker wird.
Die Frage, wie die deutschen Autobauer auf diese Entwicklungen reagieren, ist entscheidend für ihre Zukunft. Sie müssen ihre Strategien anpassen, um im globalen Wettbewerb zu bestehen und ihre jahrzehntelange Führungsrolle in der Automobilindustrie zu behaupten. Vor allem die Elektromobilität spielt dabei eine Schlüsselrolle. Schafft die Automobilindustrie den Turnaround?
Strategien der drei Autobauer
Volkswagen
Volkswagen strebt an, bis 2030 die Hälfte seiner Verkäufe mit Elektrofahrzeugen zu erzielen. Der Konzern setzt auf Plattformstrategien, um die Produktionskosten zu senken, mit einem besonderen Fokus auf den chinesischen Markt. In der Umsatzverteilung dominiert Europa, gefolgt von Nordamerika und China.
Beteiligungen von Volkswagen:
- Audi
- Porsche
- SEAT
- Škoda
- Bentley
- Bugatti (Verkauf an Rimac im Jahr 2021, jedoch bleibt VW beteiligt)
- Lamborghini
- Ducati (Motorräder)
- Volkswagen Nutzfahrzeuge
- Scania (Nutzfahrzeuge)
- MAN (Nutzfahrzeuge)
Mercedes-Benz
Mercedes-Benz verfolgt die „Electric First“-Strategie und plant, ab 2030 hauptsächlich Elektroautos anzubieten. Das Unternehmen konzentriert sich stark auf das Luxussegment und innovative Technologien. In der Umsatzverteilung spielt China die größte Rolle, gefolgt von Europa und Nordamerika, während der deutsche Markt ebenfalls vergleichsweise kleiner ist.
Beteiligungen von Mercedes-Benz:
- Mercedes-Benz Cars
- Mercedes-Benz Vans
- Daimler Truck (separate Börsennotierung seit 2021)
- Smart (Kooperation mit Geely)
- AMG (Tuning- und Performance-Abteilung)
- Maybach (Luxusmarke)
BMW
BMW setzt auf das Premiumsegment und Nachhaltigkeit, mit einem klaren Fokus auf Elektromobilität. Bis 2025 will der Konzern den Anteil elektrifizierter Fahrzeuge stark erhöhen. Technologische Innovationen wie autonomes Fahren und bessere Batterien spielen eine zentrale Rolle. China ist der größte Markt für BMW, gefolgt von Europa und Nordamerika, während Deutschland einen kleineren Anteil ausmacht.
Beteiligungen von BMW:
- BMW
- MINI
- Rolls-Royce Motor Cars
- BMW Motorrad (Motorräder)
Branchen- und Marktentwicklung
Die deutsche Automobilindustrie befindet sich weiterhin in einer herausfordernden Phase. Nach dem Einbruch während der Pandemie und der globalen Halbleiterkrise hat sich die Produktion zwar leicht erholt, doch die Gesamtzahlen liegen weiterhin unter dem Niveau von 2017.
Besonders die Elektromobilität entwickelt sich langsamer als erwartet. Während weltweit die Absätze von Elektroautos steigen, bleibt die Nachfrage in Deutschland und Europa hinter den Prognosen zurück. Die hohen Produktionskosten und die unzureichende Ladeinfrastruktur bremsen das Wachstum.
Um auf die schwankende Nachfrage zu reagieren, haben einige Autobauer bereits Maßnahmen wie temporäre Werksschließungen und Produktionskürzungen ergriffen, um die Kosten zu senken.
Insgesamt zeigt sich, dass die deutsche Automobilindustrie weiterhin auf einem schwierigen Weg ist, ihre Produktionsziele und die Transformation hin zur Elektromobilität voranzutreiben, während sie mit globalen und lokalen Unsicherheiten kämpft.
Aktuelle Quartalszahlen Q2’24
Umsatz
gemeldet | erwartet | |
VOW | 83,34 | 83,16 |
MBG | 36,74 | 37,23 |
BMW | 36,94 | 38,152 |
Beim Umsatz konnte nur Volkswagen die Erwartungen im Vorfeld der Quartalszahlen schlagen. Die Guidance wurde schon lange zuvor gesenkt, die Erwartungen waren also bereits extren niedrig. BMW dagegen hat die Umsatzprognose massiv verfehlt. Zudem schockte das Unternehmen den Markt mit einer am 10. September vermeldeten gekappten Jahresprognose in Bezug auf stark rückläufige Absatzzahlen. Die BMW Aktie verlor daraufhin über 11 % an Wert.
EPS
gemeldet | erwartet | |
VOW | 6,21 | 7,17 |
MBG | 2,95 | 2,83 |
BMW | 4,15 | 4,16 |
Beim Gewinn konnte Mercedes Benz die Erwartungen schlagen und BMW blieb im Rahmen der Erwartungen. Auch hier wurde im Vorhinein die Guidance für den Gewinn gesenkt. Nur Volkswagen hat massiv die Gewinnerwartungen verfehlt.
Fundamentaldaten
VOW | MBG | BMW | |
---|---|---|---|
Börsenwert | 47,09 Mrd. EUR | 58,83 Mrd. EUR | 46,13 Mrd. EUR |
Hauptsitz | Wolfsburg | Stuttgart | München |
Mitarbeiter | 684.020 | 166.060 | 154.950 |
Leistungskennzahlen
Die Umsatzentwicklung aller drei Autobauer kann sich bis 2023 sehen lassen. Volkswagen konnte seit Corona Rekordjahre verzeichnen und auf sehr hohem Niveau organisch wachsen. Mercedes-Benz wurde stärker von der Corona Pandemie getroffen, unter anderem aufgrund stärker gestörter Lieferketten als bei der Konkurrenz und interner Umstrukurierungen (Daimler Truck Spin-Off). Für die nächsten Jahre ist bei allen drei Konzernen ein langsameres Wachstum prognostiziert. Insbesondere bei Volkswagen erkennt man anhand der Umsatzprognosen den Pessimismus, wenn auch der Nettogewinn weiter stetig steigen soll, was positiv auf die Margen wirkt.
Solvenzkennzahlen
VOW | MBG | BMW | |
---|---|---|---|
Eigenkapital [Mrd. EUR] | 178,59 | 91,14 | 93,47 |
Gesamtverschuldung [Mrd. EUR] | 270,92 | 110,92 | 102,26 |
Liquide Mittel [Mrd. EUR] | 77,83 | 19,11 | 17,86 |
Der Autobau ist extrem kapitalintensiv, weshalb alle drei Autobauer auf Fremdkapital angewiesen sind. Bei Volkswagen erreicht die Gesamtverschuldung mit 270,92 Milliarden EUR aber einen kritischen Bereiche. Auf der anderen Seite verfügt der Konzern auch über massive liquide Mittel und das mit Abstand höchste Eigenkapital. Alle drei Konzerne können die Fremdkapitalkosten allerdings problemlos bewältigen.
Cashflow
Der Free Cashflow ist bei Autobauern eine wichtige Kennzahl, da davon die Dividende bezahlt wird. Insbesondere seit 2021, als alle drei Konzerne starke Kapitalzuflüsse verzeichneten, ist der Free Cashflow rückläufig und bei Volkswagen im Gesamtjahr 2023 bereits negativ gewesen.
Bewertungskennzahlen
VOW | MBG | BMW | |
---|---|---|---|
KGV | 3,34 | 4,82 | 4,62 |
KUV | 0,15 | 0,40 | 0,31 |
KBV | 0,30 | 0,68 | 0,54 |
Die Bewertung von Automobilkonzernen ist bekanntlich immer schon gering gewesen, doch aktuell ist insbesondere bei VW die Bewertung tief im Keller. Aktionäre haben wenig Vertrauen in zukünftiges Wachstum.
Und auch wenn eine günstige Bewertung eine Chance sein kann, gibt es keine Garantie, dass in Zukunft die Kurse schneller steigen als die Gewinne. Eine niedrige Bewertung hat immer kritische Gründe, die den Konzern belasten können.
Dividendenpolitik
VOW | MBG | BMW | |
---|---|---|---|
Div.-Rendite (indiziert) | 9,37 % | 9,64 % | 8,15 % |
Ausschüttungsquote (auf EPS) | 30,42 % | 43,29 % | 36,42 % |
Traditionell haben Autobauer eine sehr hohe Dividendenrendite. Allerdings ist diese nie sicher und kann stark schwanken. 2023 konnten die Konzerne enorm viel Kapital an die Aktionäre ausschütten, weshalb die indizierte Dividenrendite von teilweise knapp 10 % sehr schön aussieht. Allerdings ist es sehr wahrscheinlich, dass alle drei Konzerne die Dividende im kommenden Jahr senken werden. Volkswagen erwägt sogar eine Nullrunde. Nur für die Dividende lohnt sich ein Einstieg bei den Konzernen also nicht.
Chancen und Risiken
Die deutsche Autoindustrie steht vor großen Herausforderungen, aber auch vor bedeutenden Chancen. Eine zentrale Möglichkeit zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit liegt in der Kostensenkung. Durch effizientere Produktionsprozesse in der Elektroauto-Fertigung könnten die Hersteller langfristig Geld sparen. Maßnahmen wie temporäre Werksschließungen und Stellenabbau, wie sie bereits von Volkswagen in Betracht gezogen wurden, könnten kurzfristig dabei helfen, die Margen zu stabilisieren. Dies birgt jedoch das Risiko, dass Standorte und Arbeitsplätze dauerhaft verloren gehen, was die Position der Unternehmen auf lange Sicht schwächen könnte.
Ein weiteres Problem stellt die hohe Abhängigkeit vom chinesischen Markt dar. Chinesische Hersteller gewinnen immer mehr Marktanteile, und deutsche Autobauer müssen ihre Position verteidigen, um dort wettbewerbsfähig zu bleiben. Das am 24. September geschnürte Konjunkturpaket der chinesischen Zentralbank stellt zwar Liquidität zur Verfügung und kann die Wirtschaft stützen, fundamental wird das Konsumverhalten allerdings weiterhin schwächeln. Gleichzeitig gibt es in neuen Märkten, insbesondere in Südostasien und Indien, große Chancen für Expansion und Wachstum.
Technologisch gesehen bieten neue Innovationen im Bereich der Elektromobilität, autonomes Fahren und bessere Batterien Potenzial, den Rückstand gegenüber Konkurrenten wie Tesla oder BYD aufzuholen. Der Ausbau der Ladeinfrastruktur und staatliche Unterstützung in Europa können ebenfalls helfen, die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen zu steigern und so langfristig die Marktposition der deutschen Hersteller zu stärken.
Chart
Bis Ende 2022 entwickelten sich die Aktien der drei Autobauer sehr ähnlich. Doch während Mercedes-Benz und BMW in einer Seitwärtsphase konsolidieren, verliert die Volkswagen-Aktie schon länger immer weiter an Wert und durchbricht wichtige Marken nach unten. Bietet sich bei den Autobauern aktuell ein Einstieg an?
Die BMW Aktie ist mit dem jüngsten 11 % Kurssturz auf das Niveau von Mitte 2022 gefallen und konnte sich dort fangen. Diese wichtige Zone sollte definitiv gehalten werden. Die Aktie könnte in einer Seitwärtsphase zwischen 70 EUR und 87 EUR konsolidieren. Ein Einstieg würde sich aktuell an der unteren Begrenzung ergeben.
Hierfür bietet sich ein Zertifikat der DZ Bank (WKN: DQ6CSW) an. Dieses Zertifikat hat eine Knock-Out Schwelle bei 44,06 EUR und damit einen Hebel von aktuell 2,46x.
Fazit
Die deutsche Automobilindustrie steht vor einer Phase tiefgreifender Veränderungen und Herausforderungen. Besonders der Druck auf die Elektromobilität nimmt zu, da die Verkaufszahlen von Elektroautos hinter den Erwartungen zurückbleiben und die Konkurrenz aus China immer stärker wird. Volkswagen, Mercedes-Benz und BMW versuchen, ihre Strategien anzupassen, setzen auf Elektromobilität und technologische Innovationen, um den globalen Wettbewerb zu meistern. Doch hohe Produktionskosten, eine unzureichende Ladeinfrastruktur und die Abhängigkeit vom chinesischen Markt erschweren die Lage. Trotz positiver Ansätze und strategischer Investitionen haben die deutschen Autobauer ihre ambitionierten Wachstumsziele bislang nicht voll erreicht.
Die finanziellen Daten zeigen zudem deutliche Unterschiede zwischen den Konzernen. Während Volkswagen insbesondere durch hohe Verschuldung und negativen Cashflow unter Druck steht, konnte Mercedes-Benz in puncto Gewinn die Erwartungen übertreffen. BMW hat wie die Konkurrenz ebenfalls seine Prognosen senken müssen und erlebt sinkende Absatzzahlen, was sich zuletzt negativ auf den Aktienkurs auswirkte. Die deutsche Autoindustrie muss nicht nur ihre Produktionsprozesse effizienter gestalten, sondern auch neue Märkte erschließen und gleichzeitig ihre technologische Innovationskraft verstärken, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben.
Offenlegung wegen möglicher Interessenkonflikte
Der Autor ist in den besprochenen Wertpapieren bzw. Basiswerten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Analyse nicht investiert.
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