
Wann kommt der Turnaround bei Green Energy? (+Tradingidee)
Grüne Energie galt lange als Wachstumsversprechen – politisch gefördert, technologisch fortschrittlich, weltweit gefragt. Doch schon 2023 und 2024 begann sich die Lage zu verschlechtern: Die Nachfrage im Solarsektor kühlte sich spürbar ab, hohe Zinsen, schwache Wohnbaumärkte und volle Lager belasteten Hersteller und Installateure. Unternehmen wie SolarEdge, Enphase oder First Solar bekamen die Entwicklung früh zu spüren – mit sinkenden Margen und wachsender Unsicherheit.
Der endgültige Schlag kam Anfang 2025 mit der neuen US-Regierung: Fördermittel aus dem Inflation Reduction Act wurden eingefroren, zentrale Programme gestoppt, neue Projekte auf Eis gelegt. Seitdem steht die Branche unter massivem Druck – mit Kursverlusten, Projektabbrüchen und ersten Insolvenzen.
Doch jetzt bewegt sich etwas: Der US-Senat arbeitet an Anpassungen der geplanten Kürzungen, insbesondere bei Solardächern und Übergangsfristen. Das weckt Hoffnung auf eine Stabilisierung – zumindest in Teilen der Branche.
Bleibt die Frage: Wie realistisch ist ein Turnaround? Wer hat die Substanz, um die Krise zu überstehen? Und wie viel hängt am politischen Kompromiss? Wir schauen uns die drei Unternehmen First Solar, SolarEdge und Enphase Energy genauer an und bewerten, wie wahrscheinlich ein Turnaround ist?
Branchenüberblick
Nach Jahren des Aufschwungs ist die US-Solarbranche in einer schwierigen Lage. Zwar bleibt der langfristige Trend hin zu erneuerbaren Energien intakt, denn allein der Strombedarf durch Rechenzentren, E-Mobilität und Digitalisierung wächst stetig. Doch auf kurze Sicht dominiert Unsicherheit: Hohe Zinsen, schwacher Wohnbau, übervolle Lager und politischer Gegenwind setzen der Branche massiv zu. Der Markt hat sich abgekühlt – und mit ihm das Vertrauen vieler Investoren.
First Solar – Der Utility-Gigant
First Solar produziert Dünnschichtmodule und ist vor allem im Geschäft mit großen Solarparks aktiv. Anders als viele Wettbewerber fertigt das Unternehmen überwiegend in den USA und profitiert daher teilweise von „Buy American“-Effekten. Das Geschäftsmodell ist weniger vom privaten Häusermarkt abhängig, dafür stärker an langfristige Großprojekte gebunden – die aktuell allerdings unter verschärfter Finanzierungslage und Projektunsicherheit leiden.
SolarEdge – Die angeschlagene Steuerzentrale
SolarEdge aus Israel ist Marktführer bei Leistungsoptimierern und Wechselrichtern – also der Technologie, die Solaranlagen steuert und effizient macht. Das Unternehmen ist stark im Residential-Bereich aktiv, vor allem in den USA und Europa. Die Nachfrage im US-Heimmarkt ist jedoch eingebrochen, viele Installateure sitzen auf hohen Lagerbeständen. SolarEdge spürt das besonders deutlich – sowohl bei Umsatz als auch Börsenbewertung.
Enphase Energy – Smarte Energie für Zuhause
Enphase hat sich mit Mikrowechselrichtern, Batteriespeichern und einer Softwareplattform zur Energieverwaltung im privaten Bereich positioniert. Das Unternehmen war lange ein Liebling der Börse, steht jetzt aber ebenfalls unter Druck. Wie SolarEdge ist Enphase stark vom US-Wohnbaumarkt abhängig – und dieser schwächelt. Gleichzeitig bietet das Software-lastige Modell Flexibilität und hohe Margen, wenn die Nachfrage wieder anzieht.
First Solar | SolarEdge | Enphase | |
---|---|---|---|
Fokus | Großprojekte | Wohnbau, Installateure | Wohnbau, Endkunden |
Produkte | Dünnschichtmodule | Wechselrichter | Speicher, Wechselrichter |
Produktion | USA, Mexiko | USA, Asien, Europa | USA, Asien |
Subventionsgrad | Mittel | Hoch | Hoch |
Während First Solar stärker vom Großkundengeschäft lebt und aktuell durch politische Unsicherheit bei neuen Projekten gebremst wird, leiden Enphase und SolarEdge vor allem unter der schwachen privaten Nachfrage – und sind durch ihre enge Verbindung zum US-Wohnbaumarkt deutlich anfälliger. Alle drei eint jedoch: Sie sind technologisch stark und haben funktionierende Strukturen – aber müssen nun mit neuen politischen und wirtschaftlichen Realitäten umgehen.
Politik, Gesetze und Subventionen: Wie ist die aktuelle Lage?
Der politische Kurs in Washington bleibt für die grüne Energiebranche zentral. Während das Weiße Haus eine radikale Kürzung der IRA-Subventionen für Solar- und Windenergie in das One Big Beautiful Bill (OBBB) gepackt hat, zeichnet sich im Senat erstmals eine Abschwächung ab:
- Trump-Version (Mai 2025): Sofortiger Stopp der 30 % Steuerkredite für Hausbesitzer und Leasingfirmen, sowie ein schnelles Auslaufen aller Förderungen bis 2028 – was laut Wood Mackenzie einen Rückgang der privaten Solarnachfrage um bis zu 40 % auslösen könnte.
- Senatsversion (Juni 2025): Moderaterer Ansatz: Steuerkredite laufen stufenweise aus (60 % 2026, Ende 2028). Für große Projekte bleibt bis 2033 Unterstützung für Baseline-Energien (Hydro, Nuklear, Geothermie) erhalten.
- Wichtige Wendung (24. Juni 2025): Senator Kevin Cramer bestätigt, der Senat arbeite an Korrekturen – besonders bei der Wiederaufnahme von Steuervorteilen für private Dach-Solaranlagen. Die geplante Phase-out-Regelung könnte weniger hart und potenziell großzügiger als im House ausfallen
Konfliktlinien & Interessen:
- Rebublikanische Spaltung: Moderate Senatoren aus Bundesstaaten mit viel grüner Energie (z. B. Utah, Alaska, North Carolina) warnen vor Arbeitsplatzverlusten und Investitionsrückgängen.
- Lobby-Front: Branchenverbände wie SEIA mobilisieren massiv: Sie warnen, dass ein abrupter Förderstopp bis zu 330.000 Jobs gefährden könnte.
Bis zum 4. Juli will der Senat das Paket beschließen – und in diesen Tagen wird klar, wie einflussreich die grünen Subventionen tatsächlich sind. Eine gemilderte Version könnte dem Solar-Privatkundenmarkt eine Überlebenschance bieten. Allerdings bleibt der politische Kurs unsicher und eine radikale Umkehr ist nicht ausgeschlossen.
Zahlen & Fakten
First Solar | SolarEdge | Enphase | |
---|---|---|---|
Börsenwert [Mrd. USD] | 16,21 | 1,12 | 5,04 |
Mitarbeiter | 8.100 | 5.630 | 2.780 |
Gründungsjahr | 1999 | 2006 | 2006 |
Umsatz & Gewinn
First Solar
First Solar konnte in den vergangenen Jahren ein stabiles und sogar deutlich wachsendes Geschäft aufbauen. Zwischen 2021 und 2023 stieg der Jahresumsatz kontinuierlich von rund 2,9 auf über 3,3 Mrd. USD. 2024 folgte dann ein weiterer Schub: Der Umsatz kletterte auf über 4,2 Mrd. USD, getragen von einer starken Projektpipeline und der wachsenden Nachfrage nach US-gefertigten Modulen. Auch auf der Gewinnseite überzeugte das Unternehmen. Das EBIT stieg im Geschäftsjahr 2024 deutlich an, was vor allem an der robusten Kostenstruktur und an IRA (Inflation Reduction Act)-bedingten Vorteilen lag. First Solar blieb damit selbst in einem schwieriger werdenden Marktumfeld klar profitabel.
SolarEdge
Noch 2022 und 2023 zählte SolarEdge zu den großen Wachstumsgewinnern der Branche – mit einem Umsatzhoch von knapp 3 Mrd. USD im Geschäftsjahr 2023. Doch 2024 kam der Absturz. Der Umsatz brach um fast 70 % auf rund 900 Mio. USD ein. Die Ursachen lagen vor allem in der schwachen Nachfrage im Residential-Segment, überhöhten Lagerbeständen bei Distributoren und einer spürbaren Investitionszurückhaltung im US-Markt. Parallel drehte das Unternehmen tief in die Verlustzone: Der operative Gewinn schrumpfte nicht nur, sondern wurde durch hohe Fixkosten ins Negative gezogen. Das EBIT war im gesamten Jahr 2024 sehr schwach – mit entsprechendem Druck auf die Bilanz.
Enphase Energy
Enphase erlebte in den Jahren 2021 bis 2023 ein beachtliches Wachstum. Der Umsatz kletterte von rund 1,3 Mrd. auf 2,3 Mrd. USD – getrieben von Mikrowechselrichtern, Heimspeichern und einer erfolgreichen Internationalisierung. Doch 2024 kam auch hier die Wende. Der Umsatz fiel auf rund 1,33 Mrd. USD zurück – ein Rückgang von mehr als 40 % gegenüber dem Vorjahr. Der Einbruch traf das Unternehmen hart, auch wenn die Bruttomarge zunächst noch stabil blieb. Operativ fiel der Gewinn allerdings deutlich – das EBIT schrumpfte über das Jahr spürbar, insbesondere durch niedrigere Stückzahlen, steigende Herstellungskosten und eine aggressive Preissituation im Markt. Enphase bleibt zwar strukturell gesund, muss aber schnell wieder in die Wachstumszone zurückfinden.
Solvenzkennzahlen
First Solar | SolarEdge | Enphase | |
---|---|---|---|
Gesamtkapital | 12,12 | 2,53 | 3,11 |
Eigenkapital | 8,19 | 0,59 | 0,81 |
Gesamtverschuldung | 0,63 | 0,76 | 1,23 |
Liquide Mittel | 0,89 | 0,75 | 1,53 |
Die Solvenzkennzahlen zeigen klare Unterschiede in der finanziellen Stabilität der drei Unternehmen. First Solar steht mit weitem Abstand am solidesten da: Ein hoher Eigenkapitalanteil, geringe Verschuldung und ein vergleichsweise geringes Liquiditätsrisiko unterstreichen die robuste Bilanz. SolarEdge hingegen weist bei sehr niedrigem Eigenkapital und relativ hoher Verschuldung eine angespannte Kapitalstruktur auf – in Verbindung mit den jüngsten Verlusten ein Warnsignal. Enphase verfügt zwar über mehr liquide Mittel, ist aber mit über 1,2 Mrd. USD auch deutlich höher verschuldet und finanziell deutlich stärker gehebelt als First Solar. Besonders in einem volatilen Marktumfeld wird diese Bilanzschwäche schnell zum Risiko.
Bewertungskennzahlen
First Solar
Die Bewertungskennzahlen von First Solar deuten auf eine ausgewogene Marktposition hin. Das Unternehmen wird weder mit einer typischen Wachstumsprämie gehandelt noch klar unterbewertet – was auf das Vertrauen in die stabile Ertragslage und Kapitalstruktur zurückzuführen ist. Die Bewertung spiegelt eine gesunde Balance zwischen Substanz und Zukunftspotenzial wider, insbesondere im Kontext der vergleichsweise geringen Abhängigkeit von kurzfristigen Marktschwankungen.
SolarEdge
Bei SolarEdge signalisiert die aktuelle Bewertung eine klassische Krisenlage: Der Markt preist einen tiefgreifenden Vertrauensverlust ein. Trotz Substanz in der Bilanz liegt die Bewertung unter Umsatzniveau – ein Hinweis darauf, dass Investoren nicht mit einer schnellen operativen Erholung rechnen. Die Kennzahlen reflektieren eher einen spekulativen Turnaround-Case als ein aktives Wachstumsinvestment.
Enphase Energy
Enphase wird im Vergleich zu den anderen beiden Unternehmen noch mit einem Bewertungsaufschlag gehandelt, trotz rückläufiger Zahlen. Der Markt scheint dem Unternehmen mittelfristig wieder Wachstum und Margenverbesserung zuzutrauen – bleibt dabei aber vorsichtiger als in der Boomphase der Vorjahre. Die Kennzahlen liegen klar über Substanzwert, was Spielraum nach unten lässt, falls die Erholung länger auf sich warten lässt.
Chancen & Risiken
Trotz politischem Gegenwind und schwacher Nachfrage ist das Rennen für die großen Solarplayer nicht vorbei. Jeder der drei Konzerne bringt eigene Stärken mit – aber auch klare Schwachstellen, die über Erfolg oder Rückschlag entscheiden könnten.
First Solar steht vergleichsweise stabil da. Als Anbieter für Großprojekte mit US-Produktion erfüllt man viele der neuen politischen Anforderungen. Die geringere Abhängigkeit vom privaten Wohnbaumarkt macht das Unternehmen krisenresistenter – allerdings hängen die Umsätze stark von großen Infrastrukturprojekten ab, die aktuell verzögert oder gestrichen werden. Das macht First Solar zwar langfristig aussichtsreich, aber kurzfristig anfällig für politische Blockaden.
SolarEdge steckt tiefer in der Krise. Der Einbruch bei privaten Neubauten, volle Lager und eine schwache Auftragslage drücken massiv auf Umsatz und Vertrauen. Die jüngsten Produktionsverlagerungen in die USA könnten das Ruder herumreißen – vorausgesetzt, die Steuervergünstigungen bleiben nicht vollständig auf der Strecke. Der Weg zurück ist möglich, aber sehr langwierig und müßig.
Enphase Energy wiederum punktet mit einem skalierbaren, softwaregestützten Geschäftsmodell. Die Mikrowechselrichter und Speicherlösungen sind technisch stark und auf Endkunden zugeschnitten. Doch genau dort liegt das Problem: Der Rückgang im US-Residential-Markt trifft Enphase direkt. Sollte der Senat die geplanten Kürzungen bei Solardächern wirklich abmildern, wäre Enphase einer der Hauptprofiteure – aber ohne politischen Rückenwind bleibt das Unternehmen verletzlich.
Chart + Tradingidee

Die Branche erlebte durch die Corona-Sonderkonjunktur plus Niedrigzinsen 2020 und 2021 einen Boom. Sowohl privat als auch gewerblich und industriell wurde massiv Solar ausgebaut. 2022 war das Thema aufgrund des russischen Angriffs auf die Ukraine und der darauf folgenden Energiekrise erneut wichtig, um Abhängigkeiten z.B. bei Gas zu reduzieren.
Doch Mitte 2023 ging die Luft aus: Der Absatz brach ein, die Kosten explodierten, die Margen und auch die Kurse bröckelten. Doch First Solar hat sich stark gehalten, und konnte mit politischem Rückenwind durch den Inflation Reduction Act von Biden weiter zulegen. Bietet die Aktie aktuell auch einen Einstieg?
Tradingidee

Die Aktie von First Solar konnte Mitte Mai unter hohem Volumen die kleine Bodenbildung seit März abschließen und korrigiert diesen Aufwärtsimpuls nun. Das 0,618 Fibonacci Level konnte mit dem 50er SMA (gelbe Linie) eine Unterstützung bieten.
Ein Einstieg würde sich nun bei einem Tagesschlusskurs über der fallenden Trendlinie und am besten auch direkt über dem 200er SMA (blaue Linie) anbieten. Ein erstes Ziel könnte das letzte große Verlaufshoch bei knapp 200 USD sein. Darüber wäre weiter Luft bis knapp 230 USD. Der Stopp Loss sollte unter die Trendlinie gesetzt werden, da die Aktie relativ volatil ist.
Du kannst dieses Szenario mit einem KO Zertifikat der HSBC (WKN: TT2Y1Y) umsetzen. Die Knock Out Schwelle des Zertifikates liegt bei 74,54 USD, woraus sich ein Hebel von aktuell 1,79x ergibt.
Fazit
Die US-Solarbranche steckt in der Krise: Zinsanstieg, Nachfragerückgang und politische Unsicherheit belasten besonders den Residential-Markt. SolarEdge und Enphase kämpfen mit schwacher Nachfrage und operativen Verlusten, während First Solar dank Großprojekten und stabiler Bilanz vergleichsweise solide dasteht.
Politisch bleibt es offen: Der Senat könnte Teile der Subventionskürzungen abmildern – vor allem bei Solardächern. Das würde vor allem Enphase und SolarEdge helfen. Bewertungsseitig wirkt First Solar ausgewogen, Enphase ambitioniert, SolarEdge tief im Abschlag. Wer auf den Turnaround setzen will, muss differenzieren – und Geduld mitbringen.
Offenlegung wegen möglicher Interessenkonflikte
Der Autor ist in den besprochenen Wertpapieren bzw. Basiswerten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Analyse nicht investiert.
Transparenzhinweis: Die im Artikel vorgestellten Derivate werden durch die Redaktion ausgesucht. Wir arbeiten aber mit ausgewählten Emittenten zusammen, die mit der Goldesel Trading & Investing GmbH in einer Geschäftsbeziehung stehen. Bitte beachten Sie: Der Handel mit Derivaten ist mit einem erheblichen Risiko verbunden und kann unter Umständen zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals führen.
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