
Trendwende oder Bullenfalle im S&P 500? Ein Vergleich zu 2001 und 2008
Der S&P 500 befindet sich seit geraumer Zeit im Bärenmarkt. Vor wenigen Wochen kämpfte sich der Kurs des Index schließlich über die Abwärtstrendlinie vom Allzeithoch – im Regelfall ein bullisches Signal. In Kombination mit dem absehbaren Ende der Zinsanhebungen der FED ist immer häufiger von einer Trendwende und dem baldigen Ende des Bärenmarktes zu lesen. In den beiden letzten großen Bärenmärkten der Jahre 2001 und 2008 entpuppte sich der Bruch der Abwärtstrendlinie im Nachhinein allerdings als Bullenfalle, nach welcher es nochmals zu massiven Abverkäufen kam. Ist die aktuelle Situation vergleichbar mit früheren Bärenmärkten? Ein Indikator hilft bei der Einordnung.
2001: Platzen der Dotcom-Blase
Das Platzen der Dotcom-Blase in den frühen 2000er Jahren kennen viele Anleger, die heute an der Börse sind, nur aus Geschichtsbüchern oder aus Erzählungen. Die Dotcom-Blase war ein spekulativer Boom bei Technologieaktien in den späten 1990er und frühen 2000er Jahren.
In dieser Zeit gab es eine Welle von Investitionen in internetbasierte Unternehmen, von denen viele noch nicht rentabel waren oder nicht einmal ein klares Geschäftsmodell hatten. Innerhalb weniger Wochen gingen die Aktienkurse der Unternehmen, die etwas mit dem neuen Internet zu tun hatten, durch die Decke. Die Bewertung der meisten Unternehmen schoss ebenfalls in schwindelerregende Höhen, und einige erzielten keine Gewinne oder Einnahmen, die ihre Bewertung gerechtfertigt hätten. In vielen Fällen kauften die Anleger diese Aktien aufgrund des Versprechens von künftigem Wachstum und Rentabilität und nicht aufgrund konkreter Finanzkennzahlen.
Dieser Spekulationsrausch führte schließlich zum Platzen der Dotcom-Blase im Jahr 2000. Als die Anleger erkannten, dass viele dieser Unternehmen ihre Versprechen nicht einhalten konnten und wahrscheinlich keine nachhaltigen Gewinne erzielen würden, begannen sie, ihre Aktien zu verkaufen. Dies führte zu einem starken Rückgang der Kurse bei Technologieaktien. Das Platzen der Dotcom-Blase hatte erhebliche Auswirkungen auf die Weltwirtschaft, da viele Technologieunternehmen Pleite gingen und die Anleger hohe Verluste erlitten.
Abwärtstrendline gebrochen, aber …
Bei dem Bärenmarkt im Jahr 2001/2002 begann der Abverkauf im August 2000. Im September 2001 begann eine Erholung, die den Markt um über 21 % nach oben führte. Im Januar 2002 wurde auch die Abwärtstrendlinie überschritten. Der Anstieg im Kurs wurde begleitet vom Anstieg eines trendfolgenden Indikators: dem MACD.
Der MACD (Moving Average Convergence Divergence) ist ein Indikator, der aus der Differenz zweier exponentiell gewichteter gleitender Durchschnitte (EMA) berechnet wird (standmäßig 12 bzw. 26 Tage). Die Differenz zwischen diesen beiden EMAs wird als MACD-Linie bezeichnet. Zusätzlich zur MACD-Linie wird auch eine Signallinie berechnet, die in der Regel als 9-Tage-EMA der MACD-Linie dargestellt wird. Das Histogramm des MACD zeigt die Differenz zwischen der MACD-Linie und der Signallinie. Wenn der MACD über der Signallinie liegt, gilt dies als ein Kaufsignal, während ein MACD unter der Signallinie als Verkaufssignal interpretiert wird. Ein MACD im Bereich >0 weist auf einen bullishen Trend hin, ein MACD <0 auf einen bärischen Trend.
Mit Blick auf den Chart ist festzustellen, dass der MACD über die gesamte Dauer der Erholung, auch nach dem Überschreiten der Abwärtstrendlinie, im bärischen Terrain <0 war. Im April 2022 rutschte die MACD-Linie unter die Signallinie und generierte damit ein Verkaufssignal. Anfang Juli 2002 wurde dies durch das erneute Unterschreiten der Abwärtstrendlinie bestätigt. Danach verlor der Index nochmal rund 22 %, bevor die finale Erholung einsetzte – bei welcher der MACD schließlich auch in den Bereich >0 lief.

2008: Subprime-Krise in den USA
Die Subprime-Krise, auch bekannt als Subprime-Hypothekenkrise, war eine Finanzkrise, die von 2007 bis 2009 in den Vereinigten Staaten stattfand. Ausgelöst wurde die Krise durch eine große Anzahl von Subprime-Hypotheken. Dies waren Hauskredite, die an Kreditnehmer mit schlechter Bonität vergeben wurden. Zusätzlich musste bei diesen Krediten nur eine geringe oder gar keine Anzahlung geleistet werden. Die Kreditnehmer konnten sich die Zahlungen in den allermeisten Fällen nicht leisten.
Diese Subprime-Hypotheken wurden mit anderen Hypotheken gebündelt und als hypothekarisch gesicherte Wertpapiere an Anleger in aller Welt verkauft. Als die Subprime-Kreditnehmer jedoch begannen, ihre Kredite nicht mehr zu bedienen, sank der Wert dieser gesicherten Wertpapiere drastisch, was zu enormen Verlusten für Anleger und Finanzinstitute führte. Die Subprime-Krise wirkte sich auf das gesamte Finanzsystem aus und führte zu einer Kreditsperre und einer weltweiten Wirtschaftsrezession. Viele Banken und Finanzinstitute gingen in Konkurs oder mussten von der Regierung gerettet werden, um zu überleben, während Millionen von Menschen ihre Häuser und Arbeitsplätze verloren.
Abwärtstrendlinie gebrochen, aber …
Der Abschwung im S&P 500 begann im September 2007. Nach einem Kursverlust von knapp über 20 % setzte ab März 2008 eine Erholung ein. Ende April 2008 wurde die Abwärtstrendlinie vom letzten Hoch gebrochen. Wie im Jahr 2002 konnte sich der Kurs einige Wochen über der Abwärtstrendlinie halten, allerdings verharrte der MACD dauerhaft im bärischen Bereich <0. Mitte Juni 2008 wurde ein doppeltes Verkaufssignal generiert, indem der Kurs wieder unter die Abwärtstrendlinie rutschte und die MACD-Linie ebenfalls wieder unter die Signallinie abglitt. Danach ging es für den Markt nochmals über 50 % bergab. Im Zuge der finalen Erholung lief schließlich auch der MACD wieder deutlich ins positive Terrain.

2022: Zinsanhebungen und Inflation
Die Zeit nach der Subprime-/Finanzkrise war geprägt von einer ausgesprochen lockeren Geldpolitik. Auf der ganzen Welt wuchsen die Bilanzen der Notenbanken und die Leitzinsen waren zeitweise negativ – ein idealer Nährboden für Aktien, da die Renditeaussichten anderer Anlageformen vergleichsweise schlecht waren und sich Unternehmen ggf. zu günstigen Konditionen refinanzieren können.
Im Jahr 2020 führte die Corona-Pandemie schließlich zum Kippen dieser Logik. Die milliardenschweren Hilfsprogramme zur Bekämpfung der Corona-Pandemie beförderten weitere Liquidität in den Markt. Die Aktienkurse von Onlinehändlern und Technologieaktien schossen in die Höhe. Am Siedepunkt organisierten sich schließlich Privatanleger über WallstreetBets, um gegen Hedge-Funds zu rebellieren und alles und jeder wollte über einen SPAC an die Börse gehen. Anleger, welche das Platzen der Dotcom-Blase miterlebt haben, sollten viele Parallelen erkannt haben.
Daneben resultieren die weltweiten Lockdowns aber auch in gestörten Lieferketten und diese wiederum zu einem Preisanstieg vieler Waren. Mit dem Beginn des Krieges in der Ukraine wurde der Preisanstieg, vor allem für Energie, nochmals beschleunigt. Das Ergebnis: Inflation, so hoch wie seit vielen Jahrzehnten nicht mehr. Zur Bekämpfung der Inflation drehten die Zentralbanken auf der ganzen Welt den Geldhahn zu und begannen mit Zinsanhebungen. Diese neue Realität wurde Stück für Stück vom Markt eingepreist, da die bisherige Bewertung vieler Unternehmen auf den geringen Zinssätzen der Vergangenheit basierte.
Abwärtstrendlinie gebrochen, aber?
Im Januar 2021 begann der Abschwung im S&P500. Bis Oktober 2022 waren fast 27 % Kursverlust zu verbuchen, bevor der Markt in eine Aufwärtsbewegung überging. Mitte Januar 2023 überschritt der Kurs schließlich die Abwärtstrendlinie, über welcher sich der Markt auch bisher hält. Anfang März kippte der S&P 500 massiv nach unten ab und tuschierte die Abwärtstrendlinie. Gleichzeitig drehte der MACD impulsiv nach unten und drohte durch ein Kreuzen der Signallinie ein Verkaufssignal zu generieren, wie es in den beiden zuvor beschriebenen Bärenmärkten auftrat. Dies blieb aber bisher aus.
In den letzten Handelstagen ist der Index wieder deutlich von der Trendlinie weggelaufen. Auch der MACD befindet sich im bullischen Terrain >0. Mit Blick auf die beiden vorangegangenen Bärenmärkte war dies ein Zeichen für eine nachhaltige Wende.

Offenlegung wegen möglicher Interessenkonflikte
Der Autor ist im besprochenen Wertpapier bzw. Basiswert zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Analyse nicht investiert.
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