
Solltest du du dein Depot entamerikanisieren?
Wer sein Langfrist-Depot in den letzten Jahren mit ETFs oder Einzelaktien aufgebaut hat, wird eines feststellen: Ein Großteil des investierten Kapitals ist in den USA gelandet – ob bewusst oder nicht.
Dabei war der Gedanke meist ein vernünftiger: breit gestreut, langfristig, risikoarm. Doch die Realität sieht oft anders aus – geopolitisch, politisch und ökonomisch sind die USA längst kein Selbstläufer mehr. Spätestens seit dem zunehmenden Einfluss Trumps, den sich verschärfenden Problemen der US-Wirtschaft und der Dominanz weniger Megakonzerne stellt sich die Frage: Ist dein Depot zu abhängig von einem einzigen Land?
Sieht so dein Depot aus?
Die meisten Privatanleger orientieren sich beim langfristigen Vermögensaufbau an einer sogenannten Core-Satellite-Strategie:
- Der Kern (Core) ist in der Regel ein ETF auf den MSCI World Index.
- Ergänzt wird er durch Satelliten, also gezielte Einzelwerte oder spezialisierte ETFs – häufig US-Tech-Konzerne wie Apple, Microsoft, Nvidia oder Tesla.
Was dabei vielen nicht bewusst ist: Der MSCI World suggeriert eine weltweite Diversifikation, ist in Wirklichkeit aber massiv USA-lastig. Über 70 % des Index entfallen auf amerikanische Aktien.

Dazu kommt: Auch bei den Satelliten greifen viele Anleger zu US-Werten. Damit entsteht eine doppelte Übergewichtung – im Core und in den Satelliten. Das bedeutet: Wer einen „weltweiten“ ETF plus ein paar US-Einzeltitel im Depot hält, hat in Wahrheit ein stark fokussiertes US-Investment.
Die Folge: Politische, wirtschaftliche oder regulatorische Entwicklungen in einem einzigen Land beeinflussen dein gesamtes Depot überdurchschnittlich stark. Und genau das könnte in den kommenden Jahren zum Problem werden.
Warum US-Investments jetzt unter Druck geraten
Gestern hat Trump reziproke Zölle auf Importe aus nahezu allen Handelspartnern angekündigt – faktisch ein globaler Zollschock. Die Antwort der betroffenen Länder: Gegenmaßnahmen, die den internationalen Handel spürbar belasten dürften. Besonders betroffen sind US-Konzerne mit globaler Wertschöpfung: steigende Kosten, erschwerte Exporte, sinkende Margen. Für Anleger mit stark USA-lastigem Depot bedeutet das ein erhöhtes politisches Risiko – und eine potenzielle Belastung für die Kursentwicklung.
Allerdings haben sich seit Monaten die Zeichen für einen größeren Rücksetzer gemehrt. In diesem Artikel haben wir bereits im November letzten Jahres auf zentrale Risikofaktoren hingewiesen: steigende Zinsen, überbewertete US-Märkte – etwa gemessen am Shiller-KGV – und die reale Belastung durch Inflation. Viele dieser Faktoren sind nach wie vor aktuell und werden durch politische Unsicherheit zusätzlich verschärft.
In der Goldesel App bekommst du regelmäßig Einschätzungen von unserem Goldesel Michael, um auch in schwierigen Marktphasen entspannt bleiben.

Performance Vergleich:
USA vs. der Rest der Welt
Ob die USA oder andere Regionen besser abschneiden, hängt stark vom betrachteten Zeitraum ab – das zeigt sich auch deutlich in den beiden folgenden Charts.
Langfristig, über die letzten fünf Jahre betrachtet, haben US-Aktien die Nase vorn. Die USA (grün) liegen mit über +230 % klar vor Europa (blau) mit +172 % und den Emerging Markets (gelb), die +154 % verzeichnen konnten. Kein Zweifel: Die US-Börse – getragen von Big Tech – hat den globalen Markt über Jahre und Jahrzehnte dominiert.

Anders sieht es seit Jahresbeginn 2025 aus: In den letzten drei Monaten haben Europa und Emerging Markets den Spieß umgedreht. Während der USA-ETF rund 13 % verloren hat, liegt Europa leicht im Plus und die EM haben nur leicht verloren.

Der Grund: Die USA sind derzeit mit politischen Risiken, Handelskonflikten und überhöhten Bewertungen konfrontiert. Gleichzeitig wirken sich diese Belastungen auf andere Regionen bislang deutlich weniger aus – zumindest kurzfristig. Das zeigt: Wer heute diversifiziert investiert, profitiert nicht nur langfristig, sondern fängt auch kurzfristige regionale Schwächen besser ab.
Wie kannst du dein Depot umbauen?
Wenn du dein Depot breiter aufstellen und den US-Anteil gezielt reduzieren willst, bieten sich folgende Alternativen an:
Für den Core deines Depots
- MSCI ACWI
- Weltweiter Index inkl. USA und Emerging Markets
- US-Anteil liegt trotzdem noch bei ca. 60 %
- MSCI ACWI ex USA
- Deckt alle entwickelten und aufstrebenden Märkte ohne die USA ab
- Ideal, wenn du bewusst die USA meiden willst
- Gute Ergänzung oder Alternative zum bisherigen Welt-ETF
- STOXX Europe 600
- Breite Abbildung des europäischen Aktienmarkts (inkl. Large, Mid & Small Caps)
- Politisch und wirtschaftlich stabiler, aber auch träger als viele andere Regionen
- Europa bleibt untergewichtet in globalen Indizes – gezielter Fokus kann sich lohnen
- MSCI Europe
- Etwas konzentrierter als der STOXX 600, Fokus auf größere und mittlere Unternehmen
- Große europäische Konzerne im Depot stärken
Für die Satellites deines Depots:
Um dein Depot gezielt zu ergänzen und unabhängiger vom US-Markt zu werden, kannst du Satelliten einsetzen, die andere Regionen, Sektoren oder selektive Unternehmen abbilden. Hier ein kompakter Überblick:
1. Regionen gezielt gewichten
Emerging Markets
- Zugang zu aufstrebenden Volkswirtschaften wie Indien, Brasilien, Mexiko oder Indonesien
- Möglich über ETFs wie den MSCI EM IMI, der breite Streuung auf über 20 Länder bietet
- Einzelaktien: TSMC – globale Schlüsselrolle in der Chipproduktion, hohe geopolitische Relevanz
Japan
- Führend in Automatisierung, Maschinenbau und Konsumelektronik
- Beispiel: Keyence – High-End-Sensorik und Industrieautomation mit starker Marge und globaler Präsenz
Australien & Kanada
- Beide Länder sind stark rohstoffgetrieben – z. B. Energie, Kupfer, Eisenerz, Uran
- Beispiel: BHP Group – globaler Rohstoffgigant mit Fokus auf Kupfer, Nickel und Eisenerz
2. Europäische Qualitätstitel statt nur US-Tech
Statt ausschließlich auf Apple, Nvidia & Co. zu setzen, kannst du gezielt europäische Unternehmen mit globaler Relevanz und Preissetzungsmacht ins Portfolio holen:
- ASML (Niederlande) – Weltmarktführer für EUV-Lithographie, quasi ohne Konkurrenz
- LVMH (Frankreich) – Luxuskonzern mit starker globaler Nachfrage und hoher Margenstabilität
- Novo Nordisk (Dänemark) – führend in Diabetes- und Adipositasmedikation, starke Marktstellung
- Schneider Electric (Frankreich) – Energietechnik, Automatisierung, Infrastruktur für die Energiewende
3. Themen-ETFs mit globalem Fokus (aber nicht USA-dominiert)
Viele Themen-ETFs konzentrieren sich stark auf US-Titel – aber es gibt Ausnahmen, die breiter aufgestellt sind oder gezielt auf internationale Player setzen. Drei sinnvolle Satelliten-Ansätze:
- Automatisierung & Robotik
→ L&G ROBO Global Robotics and Automation ETF- Breite Abdeckung globaler Technologieführer – u. a. Japan, Schweiz, Deutschland
- Fokus auf echte Industrieanwendungen statt nur Big Tech
- Medien & Digitalisierung weltweit
→ Invesco STOXX Global Digitalisation UCITS ETF- Setzt auf Unternehmen, die von der Digitalisierung profitieren: E-Commerce, Gaming, Software
- Keine klassische US-Tech-Überlastung – starke Gewichtung auch in Europa und Asien
- Alternative Energien & Cleantech international
→ iShares Global Clean Energy UCITS ETF- Zwar nicht frei von US-Anteil, aber relevante Exposure in Europa, China, Kanada
- Themen wie Solar, Wind, Wasserstoff – langfristig politisch gefördert und strukturell wachsend
4. Small Caps international
Kleine und mittelgroße Unternehmen außerhalb der USA bieten oft verstecktes Potenzial – unter dem Radar, aber mit überzeugenden Geschäftsmodellen:
- ETFs wie MSCI Europe Small Cap oder MSCI EM Small Cap
- Wer gezielter investieren will: Fokus auf Unternehmen mit klarer Nische, z. B. Spezialmaschinenbau in Deutschland oder Konsumgüter aus Südostasien
Fazit: Solltest du dein Depot entamerikanisieren?
Ein Blick hinter die Fassade zeigt: Viele Anleger glauben, global investiert zu sein – sind es aber nicht. Wer den MSCI World als Core nutzt und dazu US-Techs als Satelliten ergänzt, ist oft zu über 70 % in den USA engagiert. Das ist kein bewusst gewähltes Übergewicht, sondern meist ein Nebeneffekt vermeintlich „breiter“ Investments.
Die USA haben in der Vergangenheit geliefert: wirtschaftliche Dominanz, technologische Führerschaft, starke Performance. Doch die aktuellen Entwicklungen – Handelskonflikte, politische Instabilität, Überbewertungen – zeigen: Diese Dominanz ist kein Naturgesetz. Gleichzeitig bieten andere Regionen und Märkte heute nicht nur ein besseres Chance-Risiko-Verhältnis, sondern auch thematisch attraktive Alternativen.
Ob du dein Depot vollständig entamerikanisieren solltest, ist keine Frage von Schwarz oder Weiß. Aber eines ist klar: Ein US-Anteil von 70 % oder mehr ist kein Gleichgewicht – es ist ein Klumpenrisiko. Wer langfristig erfolgreich investieren will, sollte sein Portfolio bewusst strukturieren, statt es vom Index treiben zu lassen.
Die Antwort lautet also:
Du musst dein Depot nicht komplett neu bauen. Aber du solltest anfangen, es bewusst auszubalancieren – geografisch, politisch und thematisch. Denn langfristiger Erfolg hängt nicht nur von der richtigen Region ab, sondern von einer durchdachten Mischung, die auch abseits der USA überzeugt.
Haftungsausschluss
Dieser Artikel stellt keine Anlageberatung oder Kaufempfehlung dar. Es handelt sich um eine journalistische Analyse, die lediglich Informationen bereitstellt und keine individuellen Anlageentscheidungen ersetzt. Investitionen in Aktien und Derivate sind mit Risiken verbunden, bis hin zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals. Alle dargestellten Inhalte dienen ausschließlich der allgemeinen Information und sollten nicht als Grundlage für persönliche Anlageentscheidungen genutzt werden.
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