Krise in der Chipindustrie? Was ASML und TSMC über die aktuelle Situation der Branche verraten
Die Halbleiterindustrie ist der zentrale Treiber des technologischen Fortschritts und eine Säule der modernen digitalen Wirtschaft. Besonders im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz (KI) hat die Nachfrage nach fortschrittlichen Chips enorm zugenommen. Zwei Unternehmen stehen dabei an der Spitze: Der niederländische Chipausrüster ASML und der taiwanesische Chiphersteller TSMC.
Beide sind untrennbar miteinander verbunden, da ASML die Maschinen liefert, die TSMC zur Herstellung der modernsten Halbleiter benötigt. Doch während TSMC in letzter Zeit starke Wachstumszahlen vorweisen konnte, hat ASML die Märkte mit enttäuschenden Prognosen für das kommende Jahr überrascht. Diese Entwicklung hat sowohl Chancen als auch Risiken für die beiden Giganten aufgezeigt.
Verzahnung zweier Schlüsselspieler: ASML und TSMC
Die enge Verflechtung zwischen ASML und TSMC ist ein entscheidender Faktor für den technologischen Fortschritt in der Halbleiterbranche. ASML liefert die hochkomplexen EUV-Lithografiesysteme (Extreme Ultraviolet Lithography), die es ermöglichen, Halbleiterchips mit extrem kleinen Strukturgrößen von unter sieben Nanometern zu produzieren. Diese Maschinen sind weltweit einzigartig und unerlässlich für die Herstellung der fortschrittlichsten Chips, die TSMC für seine globalen Kunden wie Apple, Nvidia und AMD fertigt.
TSMC ist der größte Auftragsfertiger der Welt und produziert einen Großteil der leistungsstärksten Chips, die in KI-Anwendungen, Smartphones und Hochleistungsrechenzentren eingesetzt werden. Ohne ASMLs Maschinen wäre TSMC nicht in der Lage, diese Technologien zu realisieren, und umgekehrt ist ASML stark von den Bestellungen des Chipriesen abhängig. Die Symbiose dieser beiden Konzerne treibt die Innovation in der gesamten Halbleiterindustrie voran.
ASML: Der Technologielieferant für die Chipindustrie
ASML ist der einzige Anbieter weltweit, der sogenannte EUV-Lithografiesysteme herstellt. Diese extrem ultravioletten (EUV) Maschinen sind entscheidend für die Produktion der kleinsten und leistungsfähigsten Halbleiter. Diese fortschrittlichen Chips werden in nahezu allen High-End-Anwendungen eingesetzt, von KI-Systemen über Smartphones bis hin zu Rechenzentren. Ohne ASMLs Maschinen könnten Unternehmen wie TSMC nicht die extrem kleinen Transistorstrukturen fertigen, die für die neuesten Chipgenerationen benötigt werden.
Jedoch kämpft ASML aktuell mit einer nachlassenden Auftragslage. Kunden wie Intel und Samsung haben ihre Bestellungen zurückgefahren, und geopolitische Spannungen, insbesondere im Hinblick auf den chinesischen Markt, belasten die Umsatzaussichten des Unternehmens. Obwohl ASML weiterhin Bestellungen in Milliardenhöhe verbucht, wurde die Umsatzprognose für 2025 auf 30 bis 35 Milliarden Euro gesenkt, was in der unteren Hälfte der ursprünglich angekündigten Spanne liegt. Die Aktie verlor nach der (versehentlich ein Tag zu frühen Veröffentlichung der Zahlen) über 15 % an Wert.
TSMC: Auf Wachstumskurs dank der Nachfrage nach KI-Chips
Im Gegensatz dazu hat TSMC im dritten Quartal 2024 beeindruckende Wachstumszahlen vorgelegt. Der Umsatz stieg um nahezu 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, was auf die starke Nachfrage nach High-Performance-Computing-Chips (HPC) zurückzuführen ist, die vor allem in KI-Anwendungen und Rechenzentren verwendet werden. TSMC produziert diese Chips mit Strukturgrößen von drei und fünf Nanometern, die dank ASMLs EUV-Systemen hergestellt werden können.
TSMC ist heute der größte Auftragsfertiger für Halbleiter weltweit und produziert für führende Technologiekonzerne wie Apple, Nvidia und AMD. Der taiwanesische Konzern profitiert enorm vom globalen KI-Boom, da der Bedarf an Chips für maschinelles Lernen, neuronale Netzwerke und andere fortschrittliche Anwendungen weiter wächst. Über 50 Prozent seines Umsatzes generiert TSMC inzwischen im Bereich des Hochleistungsrechnens (HPC), was die Bedeutung dieser Technologie für das Unternehmen verdeutlicht. Die Transistorgröße auf den Chips nimmt mittlerweile auch extrem kleine Werte an. 3 bis 5 nm ist mittlerweile Standard auf modernen Chips.
Das beeindruckende Wachstum von TSMC steht im starken Kontrast zu ASMLs schwächeren Auftragszahlen. TSMC erwartet für das vierte Quartal 2024 Umsätze zwischen 26,1 und 26,9 Milliarden US-Dollar und sieht weiterhin stabile Wachstumschancen, insbesondere durch neue Technologien wie die kommenden High-NA-EUV-Systeme, die ASML ab 2025 liefern wird. Diese neuen Maschinen werden es TSMC ermöglichen, noch kleinere und effizientere Chips herzustellen, die in den nächsten Jahren die nächste Welle technologischer Innovationen antreiben könnten.
Mehr Inhalte von Goldesel:
+++ Schafft Walgreens den Turnaround? +++
Fundamentaldaten
ASML | TSMC | |
---|---|---|
Börsenwert | 249,39 Mrd. EUR | 775,79 Mrd. EUR |
Hauptsitz | Veldhoven, NL | Hsinchu, TW |
Mitarbeiter | 42.420 | 76.480 |
Leistungskennzahlen (ASML)
Sowohl Umsatz, als auch Nettogewinn sind die letzten Jahre kontinuierlich angestiegen. Allerdings zeigt das aktuelle Quartal, dass doch noch Bremsspuren im Geschäft von ASML zu finden sind. Die Exportbeschränkungen nach China auf Initiative der USA sorgen für eine Stagnation bei Umsatz und einen leichten Rückgang beim Nettogewinn. Allerdings soll ASML laut Prognosen ab 2025 wieder auf einen steilen Wachstumspfad zurückkehren.
Solvenzkennzahlen (ASML)
Gesamtkapital | 41,77 Mrd. EUR |
Gesamtverschuldung | 4,69 Mrd. EUR |
Liquide Mittel | 4,98 Mrd. EUR |
Eigenkapital | 16,15 Mrd. EUR |
ASML kann eine äußerst solide Bilant vorweisen. Der Konzern ist schuldenfrei und verfügt netto über knapp 300 Mio. EUR Liquidität. Der Großteil des Firmenkapitals steckt in materiellen Vermögenswerten, hauptsächlich Grundstücken, Immobilien und die Fertigungsmaschinen. Knapp 12,5 % des Gesamtkapitals ist im Goodwill, also als immaterielle Vermögenswerte ausgewiesen, was die starke Marke und die loyale Kundenbasis von ASML unterstreicht.
Bewertungskennzahlen (ASML)
KGV | 36,03 |
KUV | 9,51 |
KBV | 15,44 |
Trotz des jüngsten Kursrückgangs ist ASML immer noch eher hoch bewertet. Selbst im Vergleich mit dem 5 jährigen Durchschnitt (5 Jahres KGV: 37,74) ist das aktuelle KGV noch recht hoch. Betrachtet man allerdings die Alleinstellungsmerkmale des Konzerns und die Bedeutung für die globale Halbleiterindustrie erscheint die Bewertung moderat.
Herausforderungen und Chancen: Geopolitik und technologische Abhängigkeiten
Ein zentrales Risiko für ASML sind die geopolitischen Spannungen, insbesondere die Handelskonflikte zwischen den USA und China. Die wichtigsten Punkte dazu:
- Einschränkung des Exports: ASML darf seine fortschrittlichsten EUV-Maschinen nicht nach China exportieren.
- Wachstumsbegrenzung: Diese Einschränkungen beschneiden das Wachstum in einem der wichtigsten Märkte des Unternehmens erheblich.
- Potenzielle Verschärfung der Restriktionen: Weitere Exportbeschränkungen könnten folgen, was die Umsatzprognosen zusätzlich belasten würde.
- Ursache der Beschränkungen: Die USA üben Druck aus, um zu verhindern, dass China modernste Chips herstellt, die auch für militärische Anwendungen genutzt werden könnten.
Auch TSMC steht vor geopolitischen Risiken, insbesondere aufgrund der Spannungen zwischen China und Taiwan. Allerdings hat TSMC Schritte unternommen, um diese Risiken zu verringern:
- Diversifizierung der Produktion: TSMC reduziert seine Abhängigkeit von Taiwan durch den Bau von Produktionsstätten in den USA und Europa.
- Neue Kooperationen: In Arizona arbeitet TSMC eng mit Amkor zusammen, um fortschrittliche Verpackungstechnologien zu entwickeln.
- Chancen im Westen: Diese Expansion bietet TSMC die Möglichkeit, nicht nur geopolitische Risiken zu minimieren, sondern auch seine Marktführerschaft weiter auszubauen.
Durch diese Schritte positionieren sich beide Unternehmen unterschiedlich in einem komplexen geopolitischen Umfeld, das ihr Wachstum beeinflussen könnte.
Chart
Diese Woche hat die ASML-Aktie unter sehr hohem Volumen massiv an Wert verloren. Zwar ist der langfristige Aufwärtstrend bis zum Tief bei 537 EUR noch in Takt, allerdings wäre es positiver, wenn sich die Aktie auf aktuellem Niveau an der 200-Wochen-Linie (gelbe Linie) fangen würde und einen neuen mittelfristigen Aufwärtstrend etablieren würde. Anderseits darf man fundamental auch nicht vergessen, dass die Chipbranche aktuelle alles andere als in der Krise steckt. KI beflügelt momentan den ganzen Sektor. Sollten die Kunden von ASML Kapazitäten zurückfahren und keine neuen Maschinen mehr bestellen, sieht es mit der immernoch hohen Bewertung von ASML düster aus.
Dennoch kann man sich die Aktie für einen Trade oder ein Investment auf die Watchlist legen. Sollte sich die Aktie auf aktuellem Niveau stabilisieren und die Party im Chipsektor weitergehen, könnte die Aktie auch schnell wieder auf Allzeithoch stehen.
Für einen Trade bietet sich ein KO-Zertifikat der DZ Bank an (WKN: DQ6CRS). Das Derivat hat eine Knock-Out Schwelle bei 382,58 EUR, woraus sich ein Hebel von aktuell 2,37x ergibt.
Fazit: Nachhaltiges Wachstum oder temporäre Delle?
Trotz der aktuellen Herausforderungen bleibt ASML optimistisch, dass die langfristigen Wachstumstreiber der Halbleiterindustrie intakt sind. Die Nachfrage nach Hochleistungsrechnern und KI-Anwendungen wird voraussichtlich weiter zunehmen, und ASMLs einzigartige EUV-Technologie bleibt unverzichtbar, um diesen Bedarf zu decken. Das Unternehmen hat nach wie vor Bestellungen über 36 Milliarden Euro in den Büchern und sieht gute Chancen, dass die Nachfrage in den kommenden Jahren wieder anziehen wird.
TSMC ist ebenfalls gut positioniert, um von den globalen Technologietrends zu profitieren. Mit neuen Produktionsstätten und der Einführung von noch fortschrittlicheren Halbleitertechnologien wird das Unternehmen weiterhin eine Schlüsselrolle in der globalen Chipindustrie spielen. Der Plan, ab 2025 die neuen High-NA-EUV-Systeme von ASML einzusetzen, könnte TSMCs Produktionseffizienz weiter steigern und das Wachstum weiter vorantreiben.
Beide Unternehmen stehen vor großen Herausforderungen, aber auch großen Chancen. Während ASML kurzfristig mit geopolitischen und strukturellen Problemen zu kämpfen hat, bleiben die langfristigen Aussichten aufgrund der ungebrochenen Nachfrage nach KI und Hochleistungstechnologien vielversprechend. TSMC profitiert aktuell von der hohen Nachfrage und den großen Investitionen in neue Technologien, bleibt jedoch angesichts der geopolitischen Lage verwundbar. Dennoch stehen beide Unternehmen an der Spitze der technologischen Revolution und sind entscheidend für die Weiterentwicklung von KI und anderen zukunftsweisenden Technologien.
Offenlegung wegen möglicher Interessenkonflikte
Der Autor ist im besprochenen Wertpapier bzw. Basiswert zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Analyse nicht investiert. Transparenzhinweis: Die im Artikel vorgestellten Derivate werden durch die Redaktion ausgesucht. Wir arbeiten aber mit ausgewählten Emittenten zusammen, die mit der Goldesel Trading & Investing GmbH in einer Geschäftsbeziehung stehen. Bitte beachten Sie: Der Handel mit Derivaten ist mit einem erheblichen Risiko verbunden und kann unter Umständen zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals führen.
Weitere spannende Themen