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Kennzahlen-Mythen: KGV, EBITDA & Free Cashflow richtig nutzen

Kennzahlen sollen helfen, Unternehmen schneller zu verstehen. Ein Blick auf das KGV, ein Vergleich beim EBITDA oder ein kurzer Check des Free Cashflows – und schon scheint klar, wie attraktiv eine Aktie ist. Doch in der Realität führen genau diese Abkürzungen häufig in die Irre.

Der Grund: Kennzahlen wirken objektiv, sind aber immer nur Ausschnitte einer viel größeren Geschichte. Sie sind Werkzeuge, keine Wahrheiten. Wer sich zu stark auf einzelne Zahlen stützt, übersieht Risiken, Zyklik, Bilanzdetails oder Investitionszyklen – und tappt schneller in teure Fallen, als es die glatten Zahlen vermuten lassen.

Um Kennzahlen richtig zu nutzen, lohnt sich ein genauer Blick auf die drei meistgenannten Größen: KGV, EBITDA und Free Cashflow. Sie alle haben Stärken – aber auch typische Missverständnisse.

Warum Kennzahlen-Mythen Anleger teuer zu stehen kommen

Kennzahlen sind beliebt, weil sie Komplexität reduzieren. Doch genau diese Vereinfachung ist gleichzeitig ihre größte Schwäche:

  • Ein niedriges KGV kann günstig wirken – aber auch ein schweres Geschäftsmodell kaschieren.
  • Ein hohes EBITDA klingt nach Ertragskraft – blendet jedoch wichtige Cash-Abflüsse aus.
  • Ein negativer Free Cashflow wirkt riskant – kann aber ein Zeichen für Wachstum sein.

Wer die Zahlen isoliert liest, riskiert Fehlinterpretationen und damit Fehlentscheidungen. Ziel ist daher nicht, Kennzahlen abzuschaffen, sondern sie richtig einzuordnen – im Kontext des Geschäfts, des Zyklus und der Kapitalstruktur.

KGV: beliebt, einfach – aber schnell missverstanden

Was das KGV wirklich misst

Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) zeigt, wie viele Euro Anleger für einen Euro Gewinn zahlen:

KGV = Aktienkurs / Gewinn je Aktie

Ein hohes KGV bedeutet, dass der Markt Wachstum oder Stabilität erwartet. Ein niedriges KGV kann attraktiv wirken – oder spiegeln, dass der Markt dem Gewinn nicht traut.

Typische Missverständnisse rund um das KGV

Mythos 1: „Niedriges KGV = günstig“

In vielen Fällen steht ein niedriges KGV für Risiko, nicht für Schnäppchen:

  • Gewinne könnten vor einem Einbruch stehen (zyklische Spitzen).
  • Der Markt preist strukturelle Probleme oder hohe Verschuldung ein.
  • Der Gewinn ist durch Einmaleffekte aufgebläht.

Kurz: Ein niedriges KGV zeigt oft mehr Skepsis als Attraktivität.

Mythos 2: „Hohes KGV = überteuert“

Ein hohes KGV kann durchaus gerechtfertigt sein, wenn:

  • die zukünftigen Cashflows steigen,
  • das Geschäftsmodell sehr stabil ist,
  • Kapitalrenditen überdurchschnittlich hoch ausfallen.

Ohne diese Einordnung ist das KGV allein wertlos.

Mythos 3: „KGV geht immer“

Das KGV ist unbrauchbar, wenn:

  • der Gewinn negativ oder extrem volatil ist,
  • zyklische Branchen gerade an einem Peak stehen,
  • Bilanzierungsregeln (z. B. einmalige Gewinne) den „G“-Teil verzerren.
Praxis-Fazit

Das KGV zeigt viel – aber nur, wenn man versteht, warum der Gewinn so ist, wie er ist.

EBITDA: nützlich – aber kein Ersatz für echten Cashflow

Was EBITDA messen soll

EBITDA (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) soll zeigen, wie stark das operative Geschäft ohne Finanzierungs- und Abschreibungseffekte ist. Häufig wird daraus das Verhältnis EV/EBITDA gebildet, um Unternehmen schnell vergleichbar zu machen.

Vorteile:

  • Steuer- und Finanzierungsunterschiede werden ausgeblendet.
  • Vergleichbarkeit innerhalb einer Branche steigt.
  • Ein guter Startpunkt für operative Analysen.
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Warum EBITDA oft zu rosig aussieht

Der entscheidende Fehler: Viele interpretieren EBITDA wie eine Art „Cashflow light“. Das ist gefährlich.

Denn EBITDA ignoriert:

  • Investitionen, die real bezahlt werden müssen (Capex),
  • Working Capital (Lager, Forderungen, Verbindlichkeiten),
  • Zinsen und Steuern, die das echte Ergebnis belasten,
  • Abschreibungen, die zwar nicht zahlungswirksam sind, aber reale Abnutzung widerspiegeln.

Ein Unternehmen kann ein beeindruckendes EBITDA ausweisen und dennoch:

  • kaum freien Cash generieren,
  • hohe Schulden anhäufen,
  • ständig alte Anlagen teuer ersetzen müssen.

Wann EBITDA sinnvoll ist – und wann nicht

✔ Sinnvoll:

  • Vergleich ähnlicher Unternehmen innerhalb eines Sektors,
  • Startpunkt zur Herleitung von Cashflows,
  • Analyse von Margen und operativer Stabilität.

✘ Weniger sinnvoll:

  • bei kapitalintensiven Geschäftsmodellen (Versorger, Telekoms, Industrie),
  • bei stark verschuldeten Unternehmen,
  • als alleinige Entscheidungsgrundlage.
Praxis-Fazit

EBITDA zeigt die betriebliche Kraft, aber nicht die finanzielle Realität. Deshalb ist der Begriff kein Ersatz für Cashflow.

Free Cashflow: wertvoll – aber nicht unfehlbar

Was Free Cashflow misst

Der Free Cashflow (FCF) zeigt, wie viel Cash nach laufendem Geschäft und notwendigen Investitionen übrig bleibt:

FCF = operativer Cashflow – Investitionen (Capex)

Ein hoher FCF bedeutet: Es bleibt genug Geld für Dividenden, Buybacks, Schuldenabbau oder Wachstum.

Typische Missverständnisse zum Free Cashflow

Mythos 1: „Negativer FCF ist gefährlich“

Das kann stimmen – muss aber nicht.

Negativer FCF bedeutet oft:

  • hohe Investitionen in künftiges Wachstum,
  • temporäre Effekte im Working Capital,
  • neue Produktlinien oder Standortexpansion.

Schwierig wird es erst, wenn dauerhaft negativer FCF mit:

  • sinkenden Margen,
  • steigenden Schulden,
  • strukturellen Geschäftsproblemen

zusammentrifft.

Mythos 2: „FCF ist objektiv und neutral“

FCF kann stark schwanken, denn Unternehmen entscheiden:

  • wann sie investieren,
  • wie aggressiv sie Working Capital steuern,
  • welche FCF-Definition sie nutzen (FCF to firm vs. FCF to equity).

Darum ist der Trend über Jahre wichtiger als ein einzelner Wert.

Wie KGV, EBITDA & FCF zusammen wirken

Keine Kennzahl erklärt ein Unternehmen vollständig. Doch im Zusammenspiel entsteht ein klareres Bild:

  1. KGV zeigt, wie der Markt den Gewinn bewertet.
  2. EBITDA zeigt die operative Ertragskraft – bevor wichtige Abflüsse berücksichtigt werden.
  3. FCF zeigt, wie viel davon am Ende wirklich übrig bleibt.

Ein sinnvoller Analyseprozess:

  1. Geschäftsmodell verstehen: stabil oder zyklisch? kapitalintensiv oder leicht?
  2. Gewinne prüfen: Sind sie echt oder durch Einmaleffekte verzerrt?
  3. EBITDA einordnen: Wie viel davon muss noch in Anlagen fließen?
  4. FCF analysieren: Trend, Stabilität, Verschuldung, Verwendung.
  5. Bewertung abgleichen: Mehrere Multiples kombinieren statt nur einer Zahl vertrauen.

Zwei Praxisbeispiele, die Kennzahlen besser verständlich machen

Beispiel 1: „Günstig“ – aber nicht wirklich

  • Niedriges KGV
  • Hohe EBITDA-Marge
  • Kaum Free Cashflow

Grund: hohe Investitionen, wachsende Schulden, schwache Cash-Generierung.

Fazit: scheinbar günstig – tatsächlich riskant.

Beispiel 2: „Teuer“ – aber verdient

  • Hohes KGV
  • Starkes EBITDA-Wachstum
  • Steigender Free Cashflow
  • Niedrige Investitionsquote

Fazit: hohe Bewertung, aber hohe Kapitalrenditen und echte Cash-Stärke.

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Häufige Fragen – schnell beantwortet

Welche Kennzahl ist die wichtigste?

  • Keine. Jede Zahl zeigt einen anderen Blickwinkel.

Ist KGV heute noch zeitgemäß?

  • Ja – aber nur im Kontext von Qualität, Zyklik und Cashflows.

Ist EBITDA wirklich nutzlos?

  • Nein. Es ist nützlich – aber nur als Zwischenschritt, nicht als Endpunkt.

Ist Free Cashflow immer „ehrlicher“?

  • Er ist näher an der Realität, aber nicht frei von Verzerrungen. Trends statt Einzeljahre zählen.

Kompakte Checkliste für bessere Kennzahlen-Analysen

Bevor eine Aktie gekauft wird:

KGV

  • Sind Gewinne bereinigt?
  • Passt das KGV zu Wachstum & Risiko?

EBITDA

  • Wie kapitalintensiv ist das Geschäftsmodell?
  • Wird viel EBITDA durch hohe Capex „aufgefressen“?

Free Cashflow

  • Ist FCF über Jahre stabil?
  • Wird er sinnvoll verwendet?
  • Steigt die Verschuldung oder sinkt sie?

Story

  • Erzählen alle Kennzahlen gemeinsam eine konsistente Geschichte?

Fazit

Kennzahlen sind wertvolle Werkzeuge – solange sie im richtigen Kontext genutzt werden.

KGV zeigt Bewertung, EBITDA zeigt operative Stärke, Free Cashflow zeigt finanzielle Substanz.

Wer die Zahlen kombiniert, das Geschäftsmodell versteht und nicht blind einer einzigen Kennzahl vertraut, trifft bessere Entscheidungen und vermeidet klassische Bewertungsfallen. So entsteht ein klares, robustes Bild – ohne Mythen, aber mit echter Entscheidungsqualität.

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