
Gesoffen wird immer – Oder doch nicht?
„Gesoffen wird immer“ – ein Spruch, den man auf Partys, in Kneipen und ja, auch in Börsenkreisen immer wieder hört. Alkohol gilt als krisensicher, vom Feierabendbier bis zum Luxuswhisky. Doch ganz so einfach ist es nicht. In vielen westlichen Ländern geht der Konsum zurück, junge Zielgruppen interessieren sich mehr für Achtsamkeit als für Abstürze. Regulierung, Gesundheitsbewusstsein und soziale Trends stellen alte Gewissheiten infrage. Gleichzeitig wächst die Nachfrage in Schwellenländern – vor allem im Premiumsegment.
Die großen europäischen Konzerne der Branche, allen voran Pernod Ricard, Diageo und Davide-Campari, stehen im Spannungsfeld zwischen Tradition und Wandel. Sie verwalten mächtige Markenportfolios, investieren Milliarden in neue Trends und kämpfen um Marktanteile in einem sich stark verändernden Umfeld. Verschaffen wir uns also einen Überblick über ihre Geschäftsmodelle, Marktstrategien und Zukunftsperspektiven – und stellen uns die Frage: Gilt der alte Spruch wirklich noch, oder ist er längst ein Trugschluss?
Überblick über die Branche
Alkohol wird weltweit nach wie vor in großen Mengen konsumiert – aber nicht überall gleich. Vor allem Europa bleibt Spitzenreiter, mit Pro-Kopf-Verbräuchen von über 12 Litern reinem Alkohol jährlich in Ländern wie Tschechien, Deutschland oder Litauen.

Doch genau hier beginnt der Trend zu kippen: In vielen europäischen Ländern nimmt der Konsum langsam, aber spürbar ab – getrieben von einem wachsenden Gesundheitsbewusstsein, alternden Bevölkerungen und neuen Abstinenz-Trends. Anders sieht es in Regionen wie Südamerika oder Teilen Afrikas aus: Hier wächst eine junge, konsumfreudige Mittelschicht, die offen für internationale Marken und neue Trinkkulturen ist. Die großen Hersteller setzen zunehmend auf genau diese Märkte.
Absatzprobleme und Preissteigerungen
Seit der Corona-Pandemie kämpfen viele Produzenten jedoch mit rückläufigen Volumenabsätzen. Um sinkende Mengen und steigende Produktionskosten – vor allem seit 2022 – abzufedern, wurden die Preise teils deutlich erhöht. Interessanterweise haben diese Preissteigerungen das Konsumverhalten bislang nur wenig verändert. Laut einer Umfrage aus Deutschland gibt eine Mehrheit an, trotz höherer Preise nicht weniger zu trinken.

Rund zwei Drittel der Befragten blieben bei ihren Trinkgewohnheiten – oder hatten den Konsum bereits aus anderen Gründen reduziert. Für die Konzerne bedeutet das: Trotz aller Herausforderungen bleibt das Geschäft profitabel, solange sich der Preishebel durchsetzen lässt. Dennoch wird das Geschäft durch die veränderten Trinkgewohnheiten definitiv belastet.
Die Marken der drei Konzerne
Die drei Konzerne – Diageo, Pernod Ricard und Davide-Campari-Milano – zählen zu den größten und bekanntesten Playern der globalen Alkoholbranche. Sie verfügen über teils jahrhundertealte Marken, enorme Vertriebspower und eine starke regionale Präsenz.
Diageo
- Wichtige Marken:
- Scotch: Johnnie Walker, Talisker, Lagavulin
- Wodka: Smirnoff
- Gin: Tanqueray, Gordon’s
- Rum: Captain Morgan
- Tequila: Don Julio, Casamigos (Beteiligung)
- Bier: Guinness
- Regionale Schwerpunkte:
- Sehr stark in Nordamerika (größter Umsatzanteil)
- Bedeutende Märkte in Europa, Afrika und zunehmend Asien
- Führend im Premium- und Superpremium-Segment weltweit
Pernod Ricard
- Wichtige Marken:
- Wodka: Absolut
- Whisky: Chivas Regal, Ballantine’s, Jameson (Irish Whiskey)
- Rum: Havana Club
- Liköre & Aperitifs: Malibu, Ramazzotti, Ricard, Pastis 51
- Champagner: Mumm, Perrier-Jouët
- Wein: Jacob’s Creek, Campo Viejo
- Regionale Schwerpunkte:
- Stark in Europa und Asien-Pazifik (v. a. China und Indien)
- Gute Marktstellung in Nordamerika (v. a. USA)
- In vielen Wachstumsmärkten durch lokale Joint Ventures aktiv
Davide-Campari-Milano
- Wichtige Marken:
- Aperitif & Bitter: Campari, Aperol, Cynar
- Whisky: Wild Turkey
- Liköre: Grand Marnier, Frangelico, Averna
- Gin: Bulldog, Bickens
- Rum: Appleton Estate
- Sekt & Wein: Cinzano, Mondoro
- Regionale Schwerpunkte:
- Hauptmärkte: Italien, Deutschland, Frankreich, USA
- Starker Fokus auf Europa und Nordamerika
- Wachsende Präsenz in Lateinamerika und Asien
Alle drei Konzerne setzen gezielt auf Marken-Premiumisierung, um sich vom reinen Mengenwachstum zu lösen – mit klarer Tendenz zu hochwertigen, hochpreisigen Produkten. Während Diageo mit globaler Breite punktet, spielt Campari stark im Aperitif- und Lifestyle-Segment. Pernod Ricard kombiniert global aufgestellte Kernmarken mit starker lokaler Anpassung – besonders im asiatischen Raum.

Zahlen & Fakten
DGE | RI | CPR | |
---|---|---|---|
Börsenwert [Mrd. EUR] | 50,98 | 22,11 | 6,82 |
Mitarbeiter | 30.090 | 19.560 | 5.250 |
Hauptsitz | London | Paris | Mailand |
Umsatz & Gewinn
Diageo
Pernod Ricard
Davide-Campari-Milano
Alle Konzerne haben mit Absatzproblemen und dadurch auch mit sinkenden Umsätzen zu kämpfen. Hohe Kosten in Produktion und Verwarltung belastet zudem noch den Gewinn und damit die Marge. Für die nächsten Jahre ist allerdings eine Stabilisierung absehbar. Der Umsatz und auch der Gewinn sollte 2026 und 2027 wieder langsam steigen, wenn die Branche sich von den Preisschocks seit 2022 erholt hat.
Solvenzkennzahlen
DGE | RI | CPR | |
---|---|---|---|
Gesamtkapital | 45,30 | 39,80 | 8,48 |
Eigenkapital | 11,97 | 17,63 | 3,86 |
Gesamtverschuldung | 20,96 | 13,93 | 2,86 |
Liquide Mittel | 1,93 | 1,92 | 0,68 |
Die Bilanz der drei Konzerne ist durchweg solide. Entsprechend der jeweiligen Größe der Konzerne verfügen alle drei über eine gute Eigenkapitalquote. Allerdings sind alle drei, vor allem aber Diageo moderat verschuldet. Zudem verfügt Diageo im Verhältnis zum Gesamtkapital über die geringste Liquiditätsquote. Die Verschuldung und die Barmittel sollten in den nächsten Quartalen weiter beobachtet werden.
Bewertungskennzahlen
DGE | RI | CPR | |
---|---|---|---|
KGV | 15,48 | 20,21 | 33,88 |
KUV | 2,73 | 1,98 | 2,22 |
KBV | 5,23 | 1,34 | 1,77 |
Da die Branche aktuell mit größeren Risiken zu kämpfen hat, notieren alle drei Konzerne in ihren Bewertungen unter ihren langjährigen Durchschnitten. Insbesondere das eher konjunkturunabhängige KUV ist dabei sehr aussagekräftig. Allerdings bedeutet eine Unterbewertung nicht zwangsläufig eine zukünftige Outperformance. Vielmehr wurden mit den Kursrückgängen die Risiken angemessen eingepreist. Dennoch ist die Branche aktuell so attraktiv bewertet, wie seit Jahren nicht mehr.
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Chancen & Risken: Zwischen Abstinenz und Wachstum
Die Alkoholbranche steht vor einer doppelten Herausforderung: Während traditionelle Kernmärkte schwächeln, eröffnen sich anderswo neue Potenziale. Ein klarer Trend ist der rückläufige Konsum junger Menschen in westlichen Ländern. Die folgende Grafik zeigt dies exemplarisch für Deutschland:

Was gesellschaftlich sinnvoll und gesundheitlich begrüßenswert ist, stellt für die Industrie ein strukturelles Problem dar: Die junge Zielgruppe bricht zunehmend weg – mit ihr langfristige Markenbindung und Volumen. Diese Entwicklung ist in vielen westlichen Märkten ähnlich und lässt sich global im sogenannten „Globalen Norden“ beobachten.
Risiken
- Rückgang bei jungen Zielgruppen: Sinkender Pro-Kopf-Konsum in Europa, Nordamerika, Australien
- Strengere Regulierung: Werbebeschränkungen, Steuererhöhungen, ESG-Auflagen
- Wandel der Konsumkultur: Gesundheitstrends, „sober curious“-Bewegung, alkoholfreie Alternativen
- Kosten- und Margendruck: Rohstoffpreise, Verpackung, Logistik – teils nur durch Preisanpassung abfangbar
Chancen
- Wachstumsmärkte: Steigende Nachfrage in Südostasien, Afrika, Lateinamerika – v. a. im Premiumsegment
- Alkoholarme Innovationen: Trend zu „low & no alcohol“-Produkten mit Lifestyle-Positionierung
- Direktvertrieb und Digitalisierung: E-Commerce und digitale Markenführung als Hebel für junge urbane Zielgruppen
- Premiumisierung: Höhere Margen durch hochpreisige, differenzierte Produkte trotz sinkender Mengen
Chart

Seit Mitte 2023 sind alle drei Aktien ordentlich unter die Räder gekommen. Auch langfristig ist der Aufwärtstrend von den Konzernen stark geschwächt. Aktuell sollte man meiner Meinung nach eine größere Bodenbildung abwarten. Die Aktien sind ohnehin relativ träge, also verpasst man mit etwas Geduld auch kein Kursfeuerwerk.
Fazit
„Gesoffen wird immer“ – dieser Spruch greift längst zu kurz. Die Alkoholbranche steht unter Druck: Rückläufiger Konsum in westlichen Märkten trifft auf neue Chancen in Schwellenländern. Premiumisierung, alkoholarme Produkte und digitale Vertriebsmodelle sind die Antwort auf strukturelle Veränderungen.
Alle drei Konzerne bringen stabile Bilanzen und klare Strategien mit. Diageo überzeugt durch globale Breite und Premium-Fokus, während Campari, als eher Mid- bis Smallcap, mit starker Markenbindung und Lifestyle-Positionierung punktet – besonders im Aperitif-Segment. Wer in diesen Markt einsteigt, sollte auf Anpassungsfähigkeit und Markenstärke setzen, nicht auf alte Gewissheiten.
Offenlegung wegen möglicher Interessenkonflikte
Der Autor ist im besprochenen Wertpapier bzw. Basiswert zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Analyse nicht investiert.
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