
Alphabet vor Neubewertung, Broadcom das bessere Nvidia?
In der aktuellen Ausgabe des Podcasts unseres Goldesels Michael Flender und Daniel von Investflow sprechen unsere beiden Experten über spektakuläre Zahlen bei Broadcom und ebenso schwache Zahlen bei Lululemon und den Software-Aktien Salesforce und Figma.
Darüber hinaus geht es um ein wegweisendes Gerichtsurteil bei Alphabet, das für eine Neubewertung sorgen könnte.
Warum Broadcom Nvidia Konkurrenz macht, weshalb Lululemon verprügelt wurde und welche Auswirkungen das Gerichtsurteil auf Alphabet hat, das und vieles mehr erfahrt ihr wie immer bei Apple Podcast, Spotify oder direkt bei Youtube.
Aktuelle Marktlage und Makrothemen
Die Märkte zeigten zuletzt ein gemischtes Bild: Auf der einen Seite die wachsende, teils euphorische Techrallye nach Quartalszahlen wie denen von Broadcom. Auf der anderen Seite sorgen makroökonomische Unsicherheiten für Volatilität und Gewinnmitnahmen, vor allem im Softwaresektor.
Wichtig für den kurzfristigen Marktverlauf war der US-Arbeitsmarktbericht. Erwartet wurden rund 75.000 neue Stellen. Die Schätzungen wurden allerdings massiv verfehlt und es wurden deutlich weniger neue Jobs geschaffen. Damit wurden einerseits die Sorgen über eine drohende Rezession verschärft, andererseits profitierte der Techsektor durch die Hoffnung auf mehr Zinssenkungen.
Außerdem sind die langfristigen Anleiherenditen gestiegen – die 30‑jährigen Renditen bewegen sich besorgniserregend nach oben – und der Goldpreis zieht an. Solche Signale sehen wir oft im Vorfeld von Risikoanpassungen. Noch hält sich der Markt aber überraschend robust; die Hoffnung auf Zinssenkungen bleibt ein starker Treiber für Risikoassets.
Das Sentiment
Die Stimmung ist heterogen: Während Investoren bei einigen Big-Tech-Werten wieder Mut fassen, dominieren bei vielen Softwarewerten Nervosität und Unsicherheit. Die Westbörsen zeigen Stärke, DAX und andere europäische Indizes bewegen sich deutlich defensiver – ein Hinweis darauf, dass die Erholung vor allem in den US‑Technologie- und Halbleiterwerten stattfindet.
Tech-CEO-Treffen im Weißen Haus
Die Theatershow der Woche war der „Stammtisch“ der Tech-CEOs mit dem US-Präsidenten. Zahlreiche Tech-CEOs mussten in ihren Erklärungen nach dem Treffen ihre Dankbarkeit für die solide Politik der US-Regierung bekunden – der Wahrheitsgehalt sei mal dahingestellt.
- Viele CEOs zeigten sich dankbar und betonten ihre Bereitschaft, in den USA zu investieren – unabhängig davon, wie eng das zuvor geplant war.
- Sam Altman (OpenAI) und andere lobten die aktuelle Politik als „pro-business“. Tim Cook sprach davon, dass die US-Politik Investitionen ermöglicht habe – eine Aussage, die bei genauem Blick merkwürdig wirkt, denn viele Firmen hatten Produktionspläne zuvor bewusst außerhalb der USA platziert.
- Zuckerberg nannte eine enorme Zahl: 600 Milliarden US-Dollar Investitionen in KI‑Infrastruktur bis 2028.
- Elon Musk war offenbar nicht eingeladen – die Symbolik ist nicht zu übersehen
Alphabet alle Bedenken beseitigt
Das wohl spektakulärste Ereignis der Woche: Ein Gerichtsurteil hat die größten kartellrechtlichen Drohungen für Alphabet vom Tisch gewischt. Kurz gesagt: Die drei größten Worst‑Case‑Szenarien mit dem Verkauf von Chrome, dem Verkauf von Android oder dem Ende des Deals mit Apple, sind nicht mehr zu erwarten. Die Folge war ein massiver Kurssprung bei Alphabet. Innerhalb eines Tages stieg die Aktie um 9 % und legte knapp 200 Milliarden US‑Dollar Marketcap auf ihre Bewertung.
Warum ist das so wichtig?
Die drei besagten Maßnahmen hätten Alphabet tief getroffen:
- Chrome ist der meistgenutzte Browser und ein Schlüsselprodukt. Ein Verkauf hätte direkte Umsatzeinbußen zur Folge gehabt – Schätzungen gehen in manchen Szenarien von bis zu 30 % wegfallendem Umsatz aus.
- Android ist auf über 70 % aller Smartphones weltweit installiert. Ein Verlust des Android‑Ökosystems hätte enorme Daten- und Reichweitenrisiken mit sich gebracht, vor allem für die KI‑Datenbasis.
- Der Deal mit Apple sichert Platzierungen und Reichweite auf iOS‑Geräten; dessen Wegfall wäre strategisch schmerzhaft gewesen.
Mit dem Urteil bleibt all das erhalten – eine große politische Unsicherheit ist damit massiv reduziert worden. Mit einem KGV von etwa 22–23 ist Alphabet damit weiter der günstigste Big-Tech-Konzern.
Softwareaktien: Salesforce & Figma — Bewertungen kollabieren
Der Softwaresektor stand diese Woche unter massivem Druck. Zwei Headlines zeigen das sehr deutlich: Salesforce und Figma reagierten nach Quartalszahlen mit kräftigen Kursverlusten. Doch die Gründe sind unterschiedlich und verdienen separate Betrachtung.
Figma: Hype‑IPO trifft Realität
Figma hat ein beeindruckendes Produkt und wird intern von vielen Designteams hoch geschätzt. Die Zahlen: Umsatz 249,6 Mio. USD, Wachstum rund 41 % YoY. Analysten hatten 250 Mio. erwartet – also eine knappe Verfehlung. Figma ist aber mit einem Price‑to‑Sales von fast 40 bewertet; das KGV für 2026 liegt in der Nähe von 300, das ist extrem sportlich.
Bewertung macht hier den Unterschied. Bei einem derart hohen Multiple reichen minimale Enttäuschungen oder leicht verfehlte Erwartungen aus, um den Kurs drastisch zu drücken – und genau das ist passiert. Die Aktie fiel in den Tagen nach dem IPO von ihrem Hype‑Hoch deutlich zurück.
Konsequenz: IPO‑Manie trifft Realität. Figma bleibt ein Produkt, das viele nutzen, aber als Investment muss man klar trennen: sehr hohe Bewertung vs. noch kleines Umsatzniveau (250 Mio. pro Quartal ist solide, aber im Gesamtkontext klein). Wer hier investiert, sollte deutliches Risikobewusstsein und einen langen Atem mitbringen — oder auf deutlich günstigere Bewertungsniveaus warten.
Salesforce: Profitabel, aber Wachstum normalisiert sich
Salesforce reagierte ebenfalls negativ – allerdings aus anderen Gründen. Die Quartalszahlen waren nicht grundsätzlich schlecht: Umsatzwachstum im einstelligen Bereich (9–10 % inkl. and währungsbereinigt), weiterhin profitabel, starke Margen (non‑GAAP‑Nettomargen und Free‑Cashflow). Analysten sehen allerdings deutlich weniger Überraschungspotenzial: die Guidance ist konservativ (8–9 % für das Jahr), und die historische Wachstumsdynamik (früher 20er‑Prozentraten) ist passé.
Zwei strukturelle Fragen stellen sich:
- Wird KI Salesforce ersetzen? Wahrscheinlicher ist, dass KI Prozesse verändert (Automatisierung, weniger Support‑Mitarbeiter etc.) und damit das SaaS‑Lizenzmodell unter Druck setzen könnte — perspektivisch weniger Nutzende und damit potenziell geringere Lizenzeinnahmen pro Kunde.
- Wie viel positives Überraschungspotenzial besteht noch? Salesforces Wachstum bleibt moderat, und Überraschungen nach oben sind weniger wahrscheinlich als früher.
Bewertungstechnisch ist Salesforce mit einem forward KGV um die 20 für ein profitables Geschäftsmodell attraktiv. Aus Trading‑Sicht ist das jetzige Niveau interessant für langfristige Ansätze; wer einen kurzfristigen Trade sucht, sollte jedoch mit klaren Stop‑Losses arbeiten (z. B. Jahrestief als Orientierung).
Lululemon: Prognosesenkung und zweistelliger Kurssturz
Lululemon lieferte diese Woche eine der deutlichsten Enttäuschungen im Konsumsektor. Die Aktie stürzte zweistellig ab (intraday bis −17 %), nachdem das Management die Gewinnerwartung zum zweiten Mal innerhalb eines Quartals gekappt hat.
Die Zahlen im Überblick
- Umsatzwachstum währungsbereinigt: ca. 6–7 % (also Wachstum, aber moderat).
- Prognose für den Jahresgewinn je Aktie (EPS) gesenkt: neue Spanne etwa 12,77–12,97 USD, vorher 14,70 USD.
- Regional unterschiedlich: starkes Wachstum in China (+25 %) und im Rest der Welt (+19 %), aber der US‑Markt — das Kerngeschäft — droht per Guidance um −2 % zu schrumpfen.
- Margendruck: höhere Verkaufskosten und SG&A stiegen um fast 10 % — das drückt das EBIT (523 Mio. vs. 540 Mio. Vorjahr).
Hauptprobleme aus unserer Sicht:
- US‑Markt schwächelt — und das ist für Lululemon zentral.
- Markt- und Zoll‑/Logistikfragen erhöhen die Stückkosten. Änderungen bei Zollfreigrenzen (z. B. bis 800 USD) können die Margensituation verschlechtern.
- Zu langes Festhalten an alten Kollektionen: Inventory‑Risiko und Abschreibungsbedarf.
- Die Kommunikation des Managements war im Earnings Call schwach — das verschärft das Vertrauen.
Broadcom: Starkes Quartal gute Aussichten
Broadcom war die andere Story der Woche — und hier spielte nicht nur die Bilanz eine zentrale Rolle, sondern auch eine zusätzlich kolportierte Nachricht, die die Aktie weiter nach oben trieb. Kurz zusammengefasst: Broadcom lieferte ein herausragendes Ergebnis und meldete eine starke AI‑Nachfrage. Die Aktie reagierte entsprechend mit einem starken Kursanstieg.
Wichtige Kennzahlen
- Umsatz: +22 % auf fast 16 Mrd. USD (vorher ~13 Mrd.).
- Net Income: von einem Minus wegen Steuerlasten im Vorjahr auf +4,14 Mrd. USD dieses Quartal.
- Operativer Cashflow: von 5 Mrd. auf 7,2 Mrd. USD.
- Adj. EBITDA: 8,2 → 10,7 Mrd. USD.
- Free Cashflow: 4,8 → 7,0 Mrd. USD; Run‑Rate ca. 28 Mrd. USD.
- Segmente: Semiconductor Solutions +26% (9,2 Mrd.), Infrastructure Software (inkl. VMware) +17%.
- AI‑Revenue: +63% auf 5,2 Mrd. USD; Ausblick nächstes Quartal ca. 6,2 Mrd. USD.
Die mutmaßliche OpenAI‑Bestellung
Der CEO gab an, dass Broadcom Aufträge im Umfang von über 10 Mrd. USD von einem neuen ASIC‑Kunden erhalten habe. Medienberichte deuten darauf hin, dass dieser Kunde OpenAI sein könnte — mit dem Ziel, eigene Chips zu entwickeln, um die Abhängigkeit von Nvidia zu verringern. Sollte sich dies bestätigen, wäre das eine massive strategische Verschiebung im AI‑Hardwaremarkt.
Ob offiziell bestätigt oder nicht: Die Nachricht trug zur Rally bei und stärkte die allgemeine AI‑Story rund um Halbleiterunternehmen. Broadcoms starke Margen, Cashflows und das Vertrauen in die Management‑Execution machen das Unternehmen derzeit zu einem „must‑watch“ in der AI‑Wertschöpfungskette.
Bewertung und Perspektive
Broadcom notiert mit einem Forward‑KGV im Bereich von 40 — das ist sportlich, aber angesichts des Wachstums in AI‑Revenues, der hohen Free‑Cashflow‑Produktion und strategischer Deals nicht unbegründet. Zum Vergleich: Nvidia liegt aktuell in einem niedrigeren Forward‑KGV (um die 30). Das zeigt, dass der Markt AI‑Wachstum bereits stark einpreist — wann der Rückschlag kommt, ist unklar; wenn er kommt, kann es schnell gehen.
Fazit
Die vergangene Woche hat deutlich gemacht: Märkte bleiben zweigeteilt. Auf der einen Seite steht die AI‑Rally — angetrieben von beeindruckenden Unternehmenszahlen (Broadcom), strategischen Partnerschaften und gigantischen Investitionsversprechen. Auf der anderen Seite schwächelt ein großer Teil des Softwaresektors, weil Bewertungen inzwischen extrem hoch sind und das Wachstum vieler Unternehmen normalisiert.
Die Alphabets‑Entscheidung hat eines klargemacht: Politische Risiken können kurzfristig die Bewertung dominieren — und wenn solche Risiken verschwinden, lassen sich enorme Marktbewegungen beobachten. Das gilt gleichermaßen für positive wie negative Nachrichten. Für Anleger heißt das: Positionen regelmäßig überprüfen, politische Risiken nicht unterschätzen, aber auch langfristiges Potenzial (vor allem bei Cashflow‑starken Playern) nicht zu früh verwerfen.
Offenlegung wegen möglicher Interessenkonflikte
Der Autor ist im besprochenen Wertpapier bzw. Basiswert zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Analyse investiert (Alphabet).
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