“Schnäppchen für Investoren” – Warum japanische Aktien derzeit so attraktiv sind
Über Jahrzehnte hinweg haben Anleger japanische Aktien gemieden wie die Pest, doch die lange Durststrecke könnte allmählich ein Ende finden. Bei einigen Star-Investoren sowie großen US-Banken herrscht der Konsens, dass der japanische Aktienmarkt vor einem Boom steht, da seine größeren Konkurrenten – aus den USA und China – mit zunehmenden wirtschaftlichen Herausforderungen zu kämpfen haben. Der Tokio-Preisindex, auch bekannt als Topix, ist seit Jahresbeginn um mehr als 6 % gestiegen. Der breit angelegte Index, der sich aus etwa 2000 Unternehmen zusammensetzt, hat seine regionalen Konkurrenten im asiatisch-pazifischen Raum übertroffen. Der Topix erreichte an diesem Dienstag, 16. Mai, den höchsten Stand seit August 1990.
Auch der Nikkei 225 stieg auf den höchsten Stand seit November 2021, angeführt von Industriewerten wie NSK, Mitsubishi Materials und Nippon Sheet Glass. Der Index überschritt am Mittwoch die psychologisch wichtige Marke von 30.000 Punkten.
Ausländische Investoren haben in den vergangenen fünf Wochen stark in japanische Aktien und Futures investiert, wobei die Nettozuflüsse in diesem Zeitraum nach Angaben der Tokioter Börse (TSE) fast 30 Milliarden USD betrugen – einer der größten Zuflüsse des letzten Jahrzehnts. „Ausländische Investoren sind zurück – das sagt etwas über die Art der Aktienmarkterholung in Japan aus“, sagten Frank Benzimra und Tsutomu Saito, Asien-Aktienstrategen der Societe Generale, in einer Mitteilung. Die beiden Analysten verwiesen darauf, dass ausländische Investoren im April japanische Aktien im Nettowert von 2,1 Billionen Yen (15,4 Milliarden USD) gekauft hätten.
Schluss mit dem “eisernen Sargdeckel”?
Japanische Aktien schießen derzeit über Niveaus hinaus, die als „eiserner Sargdeckel“ bezeichnet werden. Wie von Bloomberg gesammelte Daten darlegen, ist der Marktwert Japans seit seinem Tiefststand am 5. Januar 2023 um etwa eine halbe Milliarde USD gestiegen. Goldman Sachs, JPMorgan und Morgan Stanley zählen zu den Großbanken, die noch mehr Aufwärtspotenzial sehen, nachdem der Topix seinen höchsten Stand seit 1990 erreicht hat.
Ein Grund für die rosigen Aussichten in Japan: Die Verbraucherpreise (ohne frische Lebensmittel) stiegen im April im Vergleich zum Vorjahr um 3,4 %. Dies beweist, dass Japan die Deflation hinter sich gelassen hat. Zudem erscheint der japanische Aktienmarkt zurzeit auch deshalb so attraktiv, weil die “Konkurrenten” Sorgenfalten auf der Stirn haben: Die USA sind wegen der Frage nach der Schuldenobergrenze und einer möglichen Rezession besorgt und die ungleichmäßige wirtschaftliche Erholung Chinas sowie der schwächelnde chinesische Aktienmarkt frustriert viele Anleger. Da kommt ein “Hoffnungsträger” wie Japan gerade recht.
“Schnäppchen” für Investoren
Hinzu kommt, dass sich die Bedingungen für Aktionäre verbessern. Nachdem japanische Firmen lange Zeit auf einem Berg von Bargeld saßen, müssen sie sich nun damit auseinandersetzen, die Erträge ihrer Aktionäre zu verbessern und gegenseitige Beteiligungen zu entwirren, um der wachsenden Nachfrage nach einer besseren Unternehmensführung gerecht zu werden. Die Aktienrückkäufe erreichten im Geschäftsjahr 2022 einen Rekordwert, nachdem die Tokioter Börse im Januar dazu aufgerufen hatte, die Bewertungen für Unternehmen zu erhöhen. Schließlich werden fast die Hälfte der Mitglieder des TSE Prime Market Index unter Buchwert gehandelt, verglichen mit nur 5 % des S&P 500, wie Daten von Bloomberg zeigen.
Selbst nach der jüngsten Rallye beträgt das KBV des Topix etwa das 1,3-fache. „Zu viele japanische Unternehmen wurden zu lange mit einem Abschlag gegenüber ihrem Buchwert gehandelt. Das sind tolle Schnäppchen für Investoren”, sagte Alex Stanić, Leiter Global Equities bei Artemis Investment Management. „Wir sehen nun, dass die Interessen aller Aktionäre anerkannt werden.”
Goldman Sachs betonte in einem Bericht vom 12. Mai, dass die Investmentbank „eine Reihe von Gründen“ sehe, die ihre bullische Einschätzung gegenüber japanischen Aktien stützen würde. „Wir bemerken insbesondere die soliden Fundamentaldaten im Vergleich zu Aktien auf ausländischen Märkten und glauben auch, dass die Erwartung struktureller Veränderungen/Reformen japanische Aktien noch weiter nach oben treiben könnte“, schrieb der japanische Aktienstratege Kazunori Tatebe.
Neben der Rückkehr der Inflation und steigenden Aktionärsrenditen spricht auch das hohe Engagement eines Starinvestors für die Attraktivität des drittgrößten Aktienmarktes der Welt: Warren Buffett hat in diesem Jahr bereits massiv in japanische Wertpapiere investiert. Jesper Koll von der Monex Group sagte gegenüber CNBC, dass Buffetts jüngste Reise nach Japan, um sich mit den Handelsunternehmen zu treffen, als „Gütesiegel“ für Investitionen in Japan angesehen wurde. Bei welchen Aktien die Investmentlegende zuletzt zugegriffen hat, das könnt ihr hier nachlesen.
Potenzielle Risiken
Ist nun alles Gold, was in Japan glänzt? Natürlich nicht. Zurzeit befinden sich die Indizes im überkauften Bereich und die Reallöhne sinken trotz steigender Inflation. Eine Verlangsamung der Weltwirtschaft könnte auch lokale Exporteure belasten, die auf die Märkte in den USA und China angewiesen sind. Einige Investmentstrategen sprechen sich dafür aus, die Lage erst noch von der Seitenlinie zu beobachten. BlackRock, der weltweit größte Vermögensverwalter, bewertet den japanischen Aktienmarkt mit “underweight” und wartet darauf, dass die politische Unsicherheit verschwindet. Das bekräftigte Ben Powell, Chef-Investmentstratege für den asiatisch-pazifischen Raum bei BlackRock. „Ich bin alt genug, um mich an die Aufregung zu erinnern, als Abe die ‚drei Pfeile‘ einführte“, sagte er und spielte dabei auf die Wirtschaftsreformen des ehemaligen Premierministers Shinzo Abe vor einem Jahrzehnt an, die das Wachstum ankurbeln sollten. „Es folgte ein sehr bedeutender Zufluss globaler Investoren, aber dann ist leider ein Großteil der Begeisterung verflogen.“
Simon Edelsten, Manager des globalen Select-Strategiefonds Artemis, schätzt, dass es noch einige Jahre dauern wird, bis der japanische Markt “großes Interesse anzieht”. Seine Begründung: “Big money never buys cheap, it buys momentum.”
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