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Anleiherenditen und ihr Einfluss auf den Aktienmarkt

In den letzten Tagen rückten die Anleiherenditen wieder vermehrt in den Fokus. Die heftigen Veränderungen an den Anleihemärkten werden als einer der Gründe für die Schwankungen am Aktienmarkt aufgeführt. Doch warum ist das so? Welchen Einfluss haben Staatsanleihen und ihre Rendite auf Unternehmen und ihren Börsenwert?

Keinen direkten. Aber, wenn man es kurz machen will: Die Rendite einer Anleihe spiegelt das aktuelle Zinsumfeld wider. Und das hat sehr wohl einen Einfluss auf den Aktienmarkt. Doch so einfach wollen wir es uns nicht machen und schauen es uns genauer an.

Exkurs: Anleihen und ihre Renditen

Was ist eine Anleihe?

Bei einer Anleihe handelt es sich vereinfacht gesprochen um eine Art Darlehen. Mit der Ausgabe einer Anleihe leiht sich ein Unternehmen oder ein Staat Geld am Kapitalmarkt. Dafür wird für eine fixe Laufzeit ein festgeschriebener Kupon gezahlt. Am Ende der Laufzeit erhalten Investoren ihr Geld zurück. Der vertragliche Anspruch bezieht sich dabei auf 100 % des ausgegebenen Nominals.

Zeitwert einer Anleihe

Der Zeitwert oder Marktwert einer Anleihe ist der Wert, der zum Betrachtungszeitpunkt gezahlt werden müsste. Da eine Rückzahlung zu 100 % des Nominalwertes erfolgt, betrachten wir den Wert des Nominals in Prozent. Berechnet wird der Wert mit Hilfe eines Diskontierungsverfahrens (discounted cashflow model). Dabei werden die zukünftigen Zahlungsströme (cashflows) mit einem Diskontierungszinssatz verzinst (diskontiert). Dieser Diskontierungszinssatz setzt sich zusammen aus den zum Betrachtungszeitpunkt gültigen Marktzinsen und etwaigen Risikoaufschlägen. Aus Vereinfachungsgründen werden solche Risikoaufschläge hier nicht betrachtet.

Bei der Emission der Anleihe wird der gezahlte Kupon anhand des gültigen Marktzinses festgelegt. Daher beträgt der Zeitwert zum Ausgabezeitpunkt 100 % (mit einer Ausnahme, die wir später betrachten). Würden sich die Marktzinsen über die gesamte Laufzeit nicht ändern, würde sich auch der Zeitwert nicht ändern. Da dies in der Praxis nicht so ist, schwankt der Zeitwert aber über die Dauer. Der Wert der Anleihe verhält sich dabei invers zum Diskontierungszinssatz.

Rendite einer Anleihe

Die Rendite einer Anleihe setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: dem Kupon, sprich dem gezahlten Zins und der Amortisation, sprich der Wertaufholung zwischen dem Kaufpreis und dem Rückzahlungsbetrag von 100 %. Schauen wir uns zur Ermittlung der Anleiherendite die beiden Extremfälle an: Nullkuponanleihe (Kupon von 0) und eine variabel verzinsliche Anleihe.

Die Nullkuponanleihe

Wird der vertraglich festgelegte Zins der Anleihe auf 0 gesetzt, werden während der Laufzeit keine Kupons gezahlt. Es gibt lediglich einen zukünftigen Zahlungsstrom – die Rückzahlung der Investition bei Fälligkeit. Liegt der Marktzins nun oberhalb von 0 % führt dies bei der Ermittlung des Zeitwertes, und in dem Fall des Ausgabewertes, zu einem Wert < 100 %. Man zahlt also für ein Nominal von z.B. 100 EUR nur 98 EUR. Da der Investor bei Laufzeitende einen Anspruch auf 100 % des Nominals, im Beispiel 100 EUR, hat, entspricht seine Rendite dem Betrag der Wertaufholung von 98 % bis zu 100 %. Dieser Effekt wird auf die Laufzeit der Anleihen verteilt (amortisiert) und so die jährliche Rendite bestimmt.

Die variabel verzinsliche Anleihe

Bei einer Anleihe mit einem variablen Zinssatz, wird der Zins und damit der Kupon in regelmäßigen Abständen, z.B. monatlich an die dann gültigen Marktkonditionen angepasst. Zum Anpassungszeitpunkt erfolgt eine Neubewertung, die dann wieder 100 % beträgt. Die Schwankungen im Zeitwert sind damit sehr gering. Die Rendite der Anleihen resultiert damit nahezu ausschließlich aus der Kuponzahlung.

Im Regelfall hat eine Anleihe einen für die gesamte Laufzeit fixen Kupon größer 0. Die Rendite bestimmt sich somit aus einer Kombination der beiden beschrieben Komponenten. Beide werden jedoch beeinflusst vom Zinsumfeld (spot und forward rates).

Kommen wir also zurück zur ursprünglichen Frage:

Welchen Einfluss haben Anleiherenditen auf den Aktienmarkt?

Bewertung einer Aktie

Auch bei der Preisbildung einer Aktie, die den Unternehmenswert widerspiegeln soll, werden zukünftige Erwartungen berücksichtigt und auf den Betrachtungszeitpunkt zurück gerechnet. Gewinne die erst weit in der Zukunft liegen, werden damit ebenfalls höher diskontiert und verlieren dadurch an Gewicht. Dies betrifft im Wesentlichen die Unternehmen, die heute noch unprofitabel sind. Die negativen Ergebnisse heute oder in näherer Zukunft werden höher gewichtet und der so ermittelte Unternehmenswert sinkt.

Anleihen sind eine Alternative zu Aktien

Insbesondere Staatsanleihen von Staaten guter Bonität (z.B. Deutschland oder USA) gelten als nahezu risikofrei. Mit den steigenden Zinsen kann man auch mit Anleihen wieder Geld verdienen. Der Renditeabschlag für das geringere Risiko wird kleiner und Anleihen damit attraktiver. Dazu gibt es beständige und planbare Zahlungsströme. Insbesondere bei institutionellen Investoren ein wichtiger Punkt. Dies könnte zu Umschichtungen vom Aktienmarkt hin zum Anleihenmarkt führen.

Finanzierungskosten

Anleiherenditen zeigen die Konditionen zu denen sich Staaten oder Unternehmen Geld am Kapitalmarkt besorgen können. Die steigenden Zinsen geben Geld wieder einen Wert. Die Geldaufnahme wird teurer. Dies spielt insbesondere bei den Firmen eine Rolle, die einen negativen Cash-Flow aufweisen und noch keine Gewinne erzielen und sich somit regelmäßig Geld besorgen müssen. Den Unternehmen entstehen hierdurch höhere Refinanzierungskosten. Darunter können auch andere Kennzahlen im Unternehmen leiden. Auch hier ist der Einfluss auf noch unprofitable Unternehmen am größten.

Fazit

Ein direkter Einfluss von Anleihen und ihren Renditen auf den Aktienmarkt besteht nicht. Unabhängig voneinander sind die beiden Märkte jedoch nicht und eine negative Korrelation ist zu beobachten. Die Reaktionen am Tag der FED-Sitzung und am Tag darauf (Do. 2. Februar 2023) an den beiden Märkten, ist ein schönes Beispiel. Hier repräsentativ anhand der Charts der Nasdaq und der Rendite der 10-jährigen US Staatsanleihen:

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